Ausgezeichnet: Joachim Kühn
Dem Jazz tue ein gutes Maß an Aggressivität gut, resümierte Joachim Kühn anlässlich seines vor 20 Jahren eingespielten und Ornette Coleman gewidmeten Hauptwerks „The Diminshed Augmented System“. Der Pianist kam 1960 über die Ornette-Coleman-LP „This Is Our Music“ zum Jazz. Kühn lebte damals noch in Leipzig, sechs Jahre später floh er mit Hilfe seines Bruders Rolf über Wien und New York nach Paris, wo er auch in der Band des Trompeters Don Cherry spielte. Coleman und Cherry hatten genau die Musik erfunden, die Kühn spielen wollte. Mit seinem „Harmolodics“ genannten Privatsystem wollte Coleman in der Art und Weise des musikalischen Ausdrucks keinerlei Beschränkungen mehr unterworfen sein. Die gemeinsame Live-Duo-CD „Colors“ dokumentierte 1996 die musikalische Freundschaft von Coleman und Kühn.
Bei hunderten Probestunden in Colemans einstigen Harmolodic-Studio in Harlem und 16 gemeinsamen Konzerten sind während der fünfjährigen Zusammenarbeit von Coleman und Kühn 170 Stücke entstanden. Doch bis auf den Klassiker „Lonely Woman“ hatte Coleman (1930-2015) keine seiner jetzt von Kühn aufgenommenen Kompositionen je veröffentlicht. Für „Melodic Ornette Coleman“ (ACT/edel) wird der vor kurzem 75 Jahre alt gewordene Kühn nun mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. In ihrer Begründung lobt die Jury auch Kühns Stückeauswahl, „die den lyrischen Charakter und die melodische Schönheit von Colemans Musik aufleuchten lässt. Die Widmung an das Idol gerät Joachim Kühn zugleich zu einem Selbstporträt, das Meisterschaft offenbart, in der thematischen Durchdringung, aber vor allem eine tiefe Hingabe an die Musik.“
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Preis der deutschen Schallplattenkritik