RIP: Dr. John

Dr. JohnDr. John„Voodoo funktioniert. Hauptsache, man glaubt daran“, meinte Dr. John einmal, circa 1992, auf europäischer Werbereise für sein Album „Goin‘ Back To New Orleans“. Zum Beweis erzählte der Hohepriester des Gris Gris eine Anekdote. Wegen Rückenschmerzen bei einer Voodoo-Priesterin in seiner Heimatstadt in Behandlung, schwang diese, murmelnd und singend, ein geweihtes Beil über und an die schmerzenden Stellen. Eines Tages, als sich der Patient mitten in der Prozedur umdrehte, sah er, dass das heilige Beil nur ein buntes Plastikspielzeug war. Die Erbin von Marie Laveau zuckte nur mit den Schultern und meinte, dass sie ihres gerade nicht gefunden hätte. „Die Werkzeuge sind egal, nur der Spirit zählt“, lachte der Doktor.

Je nachdem, wen man fragt, kam dieser Dr. John 1941, laut Wikipedia etc., oder 1940, so seine Autobiografie „Under A Hoodoo Moon“, als Malcolm John Rebennack in New Orleans zur Welt. Sein erster Spitzname war „Thanksgiving Turkey“, aufgrund seines stattlichen Geburtsgewichts und des Termins, dem 20. November. Schon früh hörte der Knabe überall Musik, bei seiner Großmutter, draußen auf den Straßen des Third Ward und im Geschäft von Rebennack Senior, der neben Fernsehern und Radios auch Schallplatten verkaufte, darunter jede Menge „race records“ von Big Bill Broonzy über Louis Armstrong bis Miles Davis. Schon als Teenager wurde „Mac“ zum gefragten Studio- und Live-Gitarristen in seiner Heimatstadt (bald sogar A&R für ACE Records) und arbeitete an Produktionen mit den R&B- und Rock-Legenden der Zeit, von Little Richard bis Fats Domino. 1967, als er, nach Gangster- und Drogen-Geschichten, einem abgeschossenen Finger und einer Zeit als „Narcotics Patient“ in Los Angeles gestrandet war, hob er sein Alter-Ego „Dr. John the Night Tripper“ aus der Taufe – und wurde selbst zum Phänomen. Inzwischen preisgekrönt mit sechs „Grammys“, Mitglied der „Blues“ und der „Rock‘n’Roll Hall of Fame“, bewundert und gerühmt von Musikern wie den Rolling Stones, den Beatles, Paul Weller oder Dan Auerbach, der einmal zu Dave Grohl sagte: „Dr. John is cooler than you will ever be.“

Seine Outfits, vom Schlangenhaut-Turban über das Halskettenarsenal zum Mardi-Gras-Federschmuck, der knödelnde Louisiana-Akzent, die ständigen Wortspiele über „care-actors“ oder „tricknology“, der Gehstock mit dem Totenkopf-Knauf und all die übrige Gris-Gris-Maskerade konnten nie über die musikalischen und menschlichen Qualitäten des Dr. John hinwegtäuschen. Der Mann, der sich seinen Bühnennamen in tiefer Bewunderung für den singenden Pianisten Professor Longhair gegeben hatte, reihte sich nahtlos in die Riege der großen New-Orleans-Pianisten ein.

Zum Glück findet sich fast sein komplettes Œuvre auch heute noch online, von Hits wie „Walk On Guilded Splinters“ oder „Right Place, Wrong Time“ bis zu seinen zahlreichen schönen Spätwerken, etwa dem funky Tribut an Satchmo von 2014. In „Touro Infirmary“, seiner sumpfig verschleppten Version des Jazz-Klassikers „St. James Infirmary“ auf einem Album des Saxofonisten Bob Malach, sang er, was er sich neben Goldstücken auf den Augen und Streetworkerinnen am Grab wünscht: „I wanna hear Professor Longhair sing a low down gutbucket Blues.“ Malcolm „Mac“ Rebennack alias Dr. John, John Creaux, King of Gris-Gris, The Night Tripper, starb am 6. Juni 2019 in New Orleans an einem Herzinfarkt. Text: Götz Bühler

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