Janning Trumann: Wem Zeit wie Ewigkeit
Nicht unumstritten ist der deutsche Bildhauer, Zeichner und Dichter Ernst Barlach, 1870 in Wedel geboren und 1938 in Rostock gestorben. Sein bildhauerisches Schaffen wie auch sein literarisches Werk stehen an der Schnittstelle zwischen Realismus und Expressionismus, viele seiner Skulpturen, die bis zu seinem Tod entstanden sind, folgen einer eigenen Ästhetik und werden international beachtet. Obwohl Barlach im August 1934 zu den 37 Unterzeichnern des von Joseph Goebbels formulierten „Aufrufs der Kulturschaffenden“ gehörte, der mit dem Satz „der Führer hat uns wiederum aufgefordert, in Vertrauen und Treue zu ihm zu stehen“ schloss, führte eine Rufmordkampagne dazu, dass er beim nationalsozialistischen Regime in Ungnade fiel und mehr als 400 seiner bildhauerischen Werke als „entartete Kunst“ aus der Öffentlichkeit entfernt und zum Teil vernichtet wurden. Seit ihrer Gründung 1946 hat die „Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg“ dessen Werk wissenschaftlich erforscht und dafür gesorgt, ein differenziertes Bild auf die Künstlerpersönlichkeit Ernst Barlach zu werfen.
Barlachs Bronzeskulptur „Der Schwebende“ steht geradezu sinnbildlich für die Tragik der Vita dieses Künstlers. 1927 als Mahnmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs zur 700-Jahr-Feier des Doms in Güstrow entstanden, wurde diese Skulptur dort nur zehn Jahre später als „entartete Kunst“ entfernt und 1941 eingeschmolzen. 1939 wurde ein Zweitguss von „Der Schwebende“ gemacht, der seit 1952 in der Kölner Antoniterkirche über einer Steinplatte hängt, in der die Jahreszahlen beider Weltkriege eingraviert waren. Später wurden die des Zweiten Weltkrieges durch die der nationalsozialistischen Diktatur ersetzt, wodurch diese Skulptur eine universelle Bedeutung als Friedensdenkmal bekam. Rund um den Erstguss 1927 schrieb Barlach das Gedicht „Wem Zeit wie Ewigkeit“, in dem er Bezug nimmt auf den deutschen Philosophen und Mystiker Jakob Böhme aus dem frühen 17. Jahrhundert und thematisch um dessen „Wem Zeit wie Ewigkeit und Ewigkeit wie Zeit, der ist befreit von allem Leid“ kreist.
Barlachs Skulptur und Gedicht ebenso wie Böhmes Schaffen inspirierten den 1990 geborenen, in Köln lebenden Posaunisten Janning Trumann, ein audiovisuelles Werk zu schreiben, das sakrale Themen mit improvisierter Musik und Lichtkunst verbindet. Trumann begreift das mystisch-religiöse Gedankengut Böhmes und die Ästhetik von Barlachs „Der Schwebende“ als Akt der Reduzierung und Fokussierung und hat eine tiefgründige, hochmoderne Komposition geschaffen. Dabei wandert er zwischen Jazz und improvisierter Musik und verleiht dem Klangraum Kirche einen besonderen Reiz. Im Fokus steht die Orgel (Sebastian Scobel), Kontrabass (Stefan Schönegg) und Vibrafon (Dierk Peters) liefern perkussive Elemente und ein Bläserquintett (unter anderem mit der Trompeterin Heidi Beier und der Saxofonistin Charlotte Greve) sorgt für eine chorische Klangwirkung. Die Lichtkünstlerin Lena Czerniawska verstärkt den Gesamteindruck des Werkes durch Reduzierung des Lichts und Improvisation mit visuellen Effekten. Nach der Premiere von Trumanns „Wem Zeit wird Ewigkeit“ am 5. Oktober in der Georgskirche seines Heimatortes Barum geht es am 6. Oktober in die Klosterkirche von Loccum, bevor das Stück dann am 7. Oktober in der Kölner Antoniterkirche aufgeführt wird.
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Janning Trumann