RIP: Wallace Roney
In Stanley Nelsons Film „Birth Of The Cool“ sieht man ihn 1991 in Montreux beim letzten großen Konzert von Miles Davis, wo er die „Sketches Of Spain“-Soli des legendären Jazztrompeters spielte. Er stand später auch mit Sonny Rollins und Ornette Coleman zusammen auf der Bühne, doch besonders in den Bands von Herbie Hancock fiel Wallace Roney immer wieder die Rolle von Miles Davis zu. Ähnlich wie Hancock schwärmte auch der am 25. Mai 1960 in Philadelphia geborene Trompeter bis in jüngste Tage von seinem 1991 verstorbenen Vorbild. „Miles ist mein Held, doch mit ihm ist der Jazz nicht stehen geblieben“, sagte Roney mir beim Gespräch in New York. Für Roney zählten stilistische Wandlungsfähigkeit und Integrationskraft zu den Markenzeichen eines kreativen Jazzmusikers. Miles Davis habe immer darauf hingewiesen, dass man die neuen Codes kennen müsse, wenn man das junge Publikum erreichen wolle.
Roney verwies auch gern auf die großen Beiträge von Max Roach und Cecil Taylor zur Geschichte der neuen Musik, hinzu seien neue Farben gekommen, etwa durch Synthesizer, wie von Hancock und Joe Zawinul in den 1970er-Jahren. Auch als Jazzmusiker den Bossa Nova in ihren Sound integrierten, sei ihre Musik Jazz geblieben, sie nutzten die neuen Rhythmen als erweiterte Improvisationsgrundlage. „Man muss sich ja nur mal die Alben anschauen, die allein 1959 herauskamen. Da liegen Welten zwischen Miles, Dave Brubeck, Ornette Coleman und Charles Mingus, doch alles ist Jazz und hat seine Berechtigung. Wichtig für die Jazzmusiker ist nur, dass sie auch selbst mit dem Herzen dabei sind. Es geht hier nicht um abstrakte Zugeständnisse oder versteckte Arroganz. Sondern darum, die Kraft und Energie des Jazz zu verstärken.“
Der offizielle Nachfolger von Miles Davis hielt sich in seinem eigenen Werk weitgehend an die Brillanz der kleinen Besetzungen vor dem Ausklang der sogenannten akustischen Phase des Jazz, „Misterios“ (1994) und „The Wallace Roney Quintet“ (1995). Er war häufig als Gastsolist zu hören, so auch auf den Platten der Pianistin Geri Allen wie beispielsweise „Gathering“ (1998). Bei der Hancocks Tour zu „Future2Future“ 2001 klang seine Trompete gestopft und unnahbar, die Stimmung reduziert, Lautheit und WahWah machten sich breit, der Rekurs auf die Anfänge des Fusion im Schatten von Mondgang und Vietnamkrieg war offensichtlich. Seine jüngste CD „Blue Dawn – Blue Nights“ erschien 2019 beim Label HighNote. Mit seiner geschiedenen Ehefrau Geri Allen, die 2017 an einer Tumorerkrankung verstarb, hatte er drei Kinder: Laila Deen, Wallace Vernell und Barbara Ann. Am 31. März ist Wallace Roney an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung im St. Joseph’s University Medical Center in Paterson, New Jersey, gestorben. Er wurde 59 Jahre alt. Text Christian Broecking
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