Kinostart: Respect
Drei Jahre nach Aretha Franklins Tod widmet sich die Filmindustrie ihrer Vita gleich doppelt. Nur ein kleines Publikum erreichte die auf Disney+ ausgestrahlte Serie „Genius: Aretha“. Eine etwas zu affektierte Aretha gab da die Britin Cynthie Erivo. Mit hölzernen Dialogen und einem lauwarmen Soundtrack glomm das Feuer des Soul in detailverliebter Ausstattung auf Sparflamme. Aber jetzt: großes – im wahrsten Sinne – Ohrenkino. Mit „Respect“ verfilmte die US-Südafrikanerin Liesl Tommy Franklins Lebensspanne vom 10. bis zum 30. Lebensjahr. R&B-Star Jennifer Hudson war von der Dargestellten noch persönlich zu dieser Rolle autorisiert worden.
Zuvor gibt Skye Dakota Turner die kleine „Ree“ überragend warmherzig und bereits mit großer Gospelstimme, während die Darstellung des Vaters von Forest Whitaker fast ein wenig zu grummelig-zahm ist, im Vergleich zum wahren C.L. Franklin. Im Theater und Musical geschult setzt Liesl die quälenden Jahre des Wartens auf den Erfolg bei Columbia Records dann gezielt als Stilmittel ein, um das Platzen des Knotens umso effektvoller auftischen zu können. Der Produzent Jerry Wexler bringt Fahrtwind in den Film, den Spürhund von Atlantic Records spielt Marc Maron mit sarkastischer, knochentrockener Coolness. Als Dreh- und Angelunkt dient ihr die „I Never Loved A Man“-Session in Muscle Shoals, sie inszeniert ihn so dicht und wahrheitsgetreu, dass man sich im Studio wähnt. Wenn die Musiker das langatmige Blues-Riff des Demos geistesblitzend in gospelgetränkte Tastenarbeit, feuchten Bläsersatz und einen soghaften Dreier-Groove verwandeln, kapiert man: Das ist Soul Music.
Von nun an gibt’s viel Musik, endlich, und Hudson kann sich dank ihrer vokalen Trümpfe ganz in die Figur hineingießen. Sie hat Aretha Franklin gut studiert, vom Südstaaten-Singsang beim Sprechen bis zu den zusammengekniffenen Lippen. Sie weiß, dass sie an Franklins Jahrhundertstimme nicht heranreichen kann. Und verkörpert ihre Vokalkunst dennoch mehr als würdig: weil sie ebenso vom heiligen Feuereifer für die Musik durchdrungen ist. Weniger plastisch wirkt Hudson, wenn sie die „Civil Rights“-Engagierte mimt. Doch ganz nah ist Hudson ihr dann wieder im tiefen Tal von Alkoholmissbrauch und Depression. Die erschütterndste Szene von „Respect“, mit einem wunderbaren Bogenschlag zurück: Es erscheint die „Amazing Grace“ summende Mutter, in deren Schoß Aretha Zuflucht findet. Wiederum ein schöner Dramaturgie-Kniff Tommys, mit dem sie Franklins berühmtes Gospelkonzert von 1972 einläuten kann – als Rückkehr in den Schoß der Kirche, mit Hudsons glühendster Performance. Nicht nur für Franklin-Fans ist „Respect“ in dieser winterlichen Wirrnis ein seelenvolles, tröstendes Geschenk.
Weiterführende Links
„Respect“-Trailer