Sezen Aksu: Erdogan rudert zurück

Sezen AksuSezen AksuNachdem ultrakonservative Kräfte in der Türkei die Popsängerin Sezen Aksu wegen einer Textzeile über die „Unwissenden“ Adam und Eva in einem fünf Jahre alten Song bedroht hatten, schaltete sich auch Staatschef Erdogan ein und formulierte, man müsse denen, die den Propheten (Adam) verunglimpfen, „die Zunge herausreißen“. Der Autokrat hat sich damit offenbar etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt: Nachdem Aksu, die erfolgreichste türkische Sängerin aller Zeiten, von 200 Musikern als auch von Politikern aus Erdogans eigener Partei breite Unterstützung erfahren hatte, ruderte er in einer öffentlichen Erklärung zurück. Er habe mit seiner Formulierung gar nicht Sezen Aksu gemeint.

Bemerkenswert: Der Spalter Erdogan, für den willkürliche Verleumdungen und unreflektierter Kulturkampf zum Tagesgeschäft gehören, ist nicht bekannt dafür, sich nach einer solchen Hassrede von seinen eigenen Worten zu distanzieren. Hier scheint er die Beliebtheit der Musikerin unterschätzt zu haben. Doch das vergiftete Klima bleibt, und der kalkulierte Angriff dürfte dazu beitragen, weitere Anfeindungen von Künstler/-innen aus den Reihen seiner Klientel salonfähig zu machen. Aksu hat als Reaktion auf die Drohungen unterdessen ein Gedicht geschrieben, in dem es heißt: „Ich bin die Beute, du der Jäger. Du kannst mich nicht töten. Ich habe meine Stimme, mein Instrument und mein Wort. Und wenn ich ich sage, meine ich uns alle.“ Der Pianist Fazıl Say hat angekündigt, die Worte zu vertonen.

Text
Stefan Franzen

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