RIP: Susi Hyldgaard
Als sich unser Autor Reinhard Köchl 2005 mit der dänischen Pianistin, Sängerin und Komponistin Susi Hyldgaard für Jazz thing zum Gespräch traf, verriet diese ihm auch einige Geheimnisse ihrer Kreativität und Diversität, die sie für sich als Schlüssel zu ihrem Schaffen ausgemacht hat. Dass sie in der Regel keine Platten hören würde und auch nur selten auf Konzerte gehe zum Beispiel; oder dass sie gerne außergewöhnlich klingende Wörter als Ausgangspunkt nehme für ihre Texte. Nur so lasse sich der Intellekt ausschalten, um im Flow den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Damals, vor fast 18 Jahren, war es das englische Verb für „erröten“, „to blush“, das für Hyldgaard zur Inspiration wurde für einzigartige Lyrics. „Blush“ (enja/edel) nannte sie dann auch das Album.
Mit Hyldgaard zu sprechen, war für Journalist/-innen oftmals eine nicht versiegende Quelle für Anekdoten und Aphorismen, für Aussagen und Meinungen. Ein Grund dafür ist vielleicht, dass die Dänin eine Weile lang selbst als Journalistin für den Hörfunk gearbeitet hatte, für den sie Soundscapes und Klang-Reportagen produzierte. Und auch hierbei war es ihre unnachahmliche Fähigkeit, ohne Umweg einen direkten Zugang in ihre Gefühlswelt zu zeigen, die sie mutig ihrem Publikum Preis zu geben wusste.
Hyldgaard wurde das Polyglotte und Polystilistische, das sie später als Künstlerin auszeichnen sollte, gleichsam in die Wiege gelegt. 1963 wurde sie in New York als Tochter Musik machender Eltern geboren, fünf Jahre später zog die Familie in die Heimat Dänemark zurück. Hyldgaard lernte Klavier und fand im Haus der Großeltern ein Umfeld, das sie gleichermaßen förderte wie forderte. Erst spät hat sie indes ihren Gesang entdeckt. Sie habe Zeit gebraucht, um ihre Stimme zu formen, meinte Hyldgaard einmal, damit sie das ausführen könne, was ihr als Komponistin vorschwebe.
Mit Mitte 30 brachte Hyldgaard ihr Debütalbum auf den Markt, „My Female Family“. Da hatte sie bereits an der Jazz-Kaderschmiede in Boston, dem Berklee College Of Music, studiert und sich in Dänemark einen Namen als vielversprechende, junge und talentierte Musikerin gemacht. War ihr Debüt noch durch eine überbordende Vielseitigkeit bestimmt, die sich aus Pop und Rock, Jazz und Folklore speiste, so konzentrierte sie sich in den folgenden Jahren immer mehr auf den Jazz. Hyldgaard sang zum Beispiel leidenschaftlich gerne amerikanische Standards und arbeitete unter anderem mit der NDR Bigband zusammen.
Sie war nicht nur Musikerin, sondern auch Psychotherapeutin. Mit ihrer Landsfrau Dorte Schou beispielsweise schrieb sie das Buch „Lorteklubben“, in dem die beiden Autorinnen informativ und humorvoll zugleich das Thema Stuhlgang und Toilettenbesuch für Kinder aufarbeiteten und enttabuisierten. Zudem war Hyldgaard sechs Jahre lang Vorsitzende des dänischen Komponist/-innen-Verbandes Autor und engagierte sich in der dänischen Verwertungsgesellschaft KODA. 2019 wurde bei ihr ein Hirntumor diagnostiziert. Wie ihre Familie mitteilte, ist Susi Hyldgaard am vergangenen Samstagmorgen, 21. Januar, gestorben, im Alter von nur 59 Jahren. Text Martin Laurentius