Neues Buch: Plötzlich Hip(p)

Plötzlich Hip(p) - Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und KunstPlötzlich Hip(p) – Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und KunstIhre Karriere als Jazzpianistin war recht kurz. Als Jutta Hipp 1946 ihre Heimatstadt Leipzig verließ, um zuerst in München in den GI-Clubs aufzutreten, besaß sie schon als Pianistin viele Stilmerkmale, die dann Anfang der 1950er-Jahre in Frankfurt zu ihrem Markenzeichen werden sollten: einen delikaten Anschlag sowie ein untrügliches Gespür für raffinierte melodische Wendungen und subtile harmonische Prozesse. Hipp, 1925 in Leipzig geboren, sorgte zuerst im Quintett des Tenorsaxofonisten Hans Koller für Aufsehen und sollte mit ihren eigenen Bands die Basis für einen „Cool Jazz – Made In Germany“ legen, einer Stilistik, die als „The Frankfurt Sound“ bekannt werden sollte. Wie Hipp stets betonte, war ihr aber Cool Jazz à la Lennie Tristano eigentlich zuwider. Viel lieber wollte sie Jazz mit dem swingenden Drive eines Fats Waller spielen. Sie ordnete sich aber unter und entwickelte dennoch ihren unverkennbaren Stil: ein polyphones Improvisieren auf dem Klavier, das Erinnerungen wach ruft an Bach’sche Fugen.

Nachdem der amerikanische Kritiker und Impresario Leonard Feather im Januar 1954 nach einem Konzert in Duisburg Hipp das Angebot gemacht hatte, nach New York zu gehen, arrangierte dieser noch eine Studiosession mit ihrem Quintett. Gleichsam als Vorbereitung für die Ankunft der Pianistin in New York wurden diese Aufnahmen von Blue Note Records als „New Faces – New Sounds From Germany“ veröffentlicht. Doch ihre wenigen Jahre als Jazzpianistin in New York ab November 1956 waren für Hipp weder glücklich noch erfolgreich. Zu sehr verweigerte sie sich den Marketing-Mechanismen, wie sie Blue Note und Feather forderten, auch nahm sie keine Stücke ihres Mentors ins Repertoire auf. Und nach dem halben Jahr im Hickory House in New York hatte Hipp kein weiteres festes Engagement mehr. Ein befreundeter Anwalt riet ihr zu einem festen Job. Sie begann als Näherin in einer Kleiderfabrik im New Yorker Stadtteil Queens zu arbeiten. Ab 1960 rührte sie nie mehr ein Klavier an – bis zu ihrem Tod am 7. April 2003.

Im August 1986 haben sich die Saxofonistin Ilona Haberkamp und die Trompeterin Iris Timmermann auf den Weg nach New York gemacht. Ihr Ziel: die Wohnung von Hipp im Stadtteil Queens. Die beiden Deutschen möchten die Frau treffen, die weit zurück in den 1950er-Jahren „Europe’s first lady of Jazz“ war. Sie hatten sich zuvor auf die Suche nach Vorbildern gemacht, nach Instrumentalistinnen, mit denen sie sich als junge Jazzmusikerinnen Mitte der 1980er identifizieren konnten. Schon bald entdeckten sie die Aufnahmen von und mit der Jazzpianistin. Hipp galt damals als vergessen. Dennoch haben Haberkamp und Timmermann ihre Adresse recherchiert und ein Treffen verabredet. Einige August-Tage 1986 verbrachten die Deutschen mit ihr, gehen mit ihr in Konzerte, besuchen mit ihr das Greenwich Jazz Festival oder reden mit ihr in ihrer kleinen Wohnung in Queens. Vor allem Haberkamp hat mit Hipp „ihr“ Thema gefunden. Die Saxofonistin und promovierte Musikwissenschaftlerin aus Münster wird noch einige Male nach New York reisen, um mit Hipp ausführlich zu sprechen.

Nachdem Haberkamp schon die kenntnisreich zusammengestellte CD-Box „Hipp Is Cool – The Life And Art Of Jutta Hipp“ mit der kompletten Diskografie der Pianistin herausgebracht hatte, ist kürzlich im Wolke Verlag ihre lesenswerte Jutta-Hipp-Biografie „Plötzlich Hip(p) – Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und Kunst“ erschienen. Detailreich zeichnet Haberkamp das Leben und die Vita Hipps nach, erzählt die zum Teil tragischen Erlebnisse und Erfahrungen einer jungen und äußerst talentierten Frau, die sich in der Männerwelt des Jazz hüben wie drüben des Atlantiks durchzusetzen versuchte. Haberkamp versucht zu ergründen, warum Hipp so radikal mit ihrer Karriere als Jazzpianistin gebrochen hat, und was ihr dann geholfen hat, diesen Verlust zu kompensieren. Es waren nämlich nicht nur der Machismo vieler Jazzmänner, der ihr das Klavierspielen verleidete, oder ihr Lampenfieber und Selbstzweifel, die sie vom Klavierschemel fernhielten. Vielmehr fehlte ihr der Raum, um sich als Frau und Jazzkünstlerin frei, ungestört und ungehindert entfalten zu können – so wie es viele Männer damals auch für sich reklamiert hatten. Dem Jazz blieb Hipp aber zeitlebens treu – als Dichterin, Malerin und Fotografin. „Plötzlich Hip(p) – Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und Kunst“ hat 224 Seiten und kostet 28 Euro.

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„Plötzlich Hip(p) – Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und Kunst“

Text
Martin Laurentius

Veröffentlicht am unter News

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