House Of Jazz Berlin: Stop Over#1
Als Till Brönner im November 2016 mit der Idee eines „House Of Jazz Berlin“ an die Öffentlichkeit trat, war die Aufregung groß – nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch im Rest von Deutschland. 12,5 Millionen Euro wollte der Bund dafür bezahlen, dass die Alte Münze in Berlin in ein Jazzhaus umgebaut wird. Doch es regte sich Widerstand gegen dieses Leuchtturm-Projekt des prominenten Trompeters, der sein „House Of Jazz Berlin“ gleichsam „top down“ durchzusetzen versuchte. Die IG-Jazz Berlin warf als Interessenvertretung der Hauptstadt-Jazzmusiker/-innen ihren Hut in den Ring. Daraufhin setzte ein Gerangel um die Frage ein, für was ein solches Jazzhaus überhaupt stehen soll. Ist es ein nationales Jazzzentrum mit internationaler Strahlkraft, das Heimstatt wird für ein prominent besetztes Jazzorchester und Konzertsaal für Auftritte mit Größen des Jazz? Oder soll es doch eher ein als Kreativ-Labor für Berliner Musiker/-innen organisiertes und betriebenes „Zentrum für Jazz und improvisierte Musik“ sein?
Unter Mithilfe vom damaligen Berliner Kultursenator im rot-rot-grünen Senat, Klaus Lederer (Die Linke), begann ein Prozess aus Gesprächen, an dessen Ende Brönners Machbarkeitsstudie und das Konzeptpapier der IG-Jazz Berlin zusammengeführt wurden und man dem ursprünglichen Namen „House Of Jazz Berlin“ ein „Zentrum für Jazz und improvisierte Musik“ mitgegeben hat. Doch so richtig kam die Realisierung des Jazzhauses nicht in Schwung. Zwar hat es seitdem eine ganze Reihe von Podiumsdiskussionen und Panels rund um das Thema gegeben. Doch der Umbaubeginn ist immer wieder verschoben worden (jetzt will man frühestens 2026 damit beginnen), zudem ist ein Teil des Areals der Alten Münze längst durch die Spreewerkstätten besetzt, die dort seit 2012 kreativwirtschaftlich Räume unter anderem für Ateliers und Galerien geschaffen und Programme für Musik- und Clubveranstaltungen realisiert haben.
Bislang haben es die Verantwortlichen versäumt zu zeigen, wie ein „House Of Jazz Berlin – Zentrum für Jazz und improvisiere Musik“ überhaupt klingt und von welchen Säulen es noch getragen wird. Deshalb hat man die Konzeptphase bis zur Eröffnung unter die Überschrift „Zentrum under Construction“ gestellt. In einem nächsten Schritt hat man dann begonnen, mit einer Art Versuchsballon von der Theorie in die Praxis überzuleiten. Während der Zwischenlandungen auf dem Gelände der Alten Münze, „Stop Over“ genannt, will man die verschiedenen Aspekte, Funktionen und Möglichkeiten eines „House Of Jazz Berlin – Zentrum für Jazz und improvisierte Musik“ der Öffentlichkeit präsentieren – mit Konzerten und Residenzen, mit Stipendien, Workshops, Panels und interdisziplinären Lectures.
„Wir wollen diesen Ort mehrere Tage lang für uns besetzen, um uns eine Art ,Habitat‘ schaffen“, sagt die Hamburger Kuratorin Tina Heine, die vom 5. bis 10. Februar den „Stop Over#1“ organisiert. „In den Räumen von Haus 4 auf dem Areal der Alten Münze, wo ja später auch das ,House Of Jazz‘ sein Zuhause haben wird, wollen wir uns mit den eingeladenen Stipendiat/-innen einrichten. Es wird eine Backline mit unterschiedlichen Instrumenten geben, um Konzerte zu spielen. Wir wollen außerdem Räume schaffen, wo man sich austauschen kann, aber auch, in die man sich zurückziehen kann – und es wird eine Küche geben. Gemeinsam kochen und essen, reden, performen und proben also – und das in aller Öffentlichkeit.“
Nach einem „Open Call“ vergangenen November, mit dem Künstler/-innen verschiedener Gattungen und Genres ebenso zur Teilnahme aufgerufen wurden wie Theoretiker/-innen und andere Kulturschaffende, sind kürzlich die Stipendiat/-innen für den ersten „Stop Over“ bekannt gegeben worden. Mit dabei sind unter anderem der Schlagzeuger und Komponist Max Andrzejewski und die Pianistin und Komponistin Isabel Omara Espichicoque Anders, der Trompeter Brad Henkel, der Pianist Marc Schmolling oder die Keyboarderin Liz Kosak, aber auch der Theatermacher Jonas Baur, der Musikwissenschaftler Harald Kisiedu oder die Kuratorin und Autorin Tuçe Erel. In unterschiedlichen Konstellationen soll der Raum „House Of Jazz“ neu und anders gedacht werden, um diesen mit Inhalten verschiedener Provenienz zu füllen und zu neuen, vielleicht auch unerwarteten Ergebnissen zu kommen.
„Es wird spannend sein zu sehen, was bei diesem ersten ,Stop Over‘ herauskommen wird“, so die Harfenistin Kathrin Pechlof, die für die IG-Jazz Berlin das Projekt „Zentrum under Construction“ betreut. „Wir dürfen nicht mehr nur mit Politiker/-innen über unser ,House Of Jazz‘ sprechen, sondern müssen ihnen endlich auch demonstrieren, was wir wirklich darunter verstehen. Von der Vorstellung, dass das ,House Of Jazz‘ eine fixe Institution sein muss, haben wir uns ja eh schon längst verabschiedet. Unser Zentrum soll ein Gefäß sein, in das unsere Ideen und Vorstellungen fließen: ein Projekt, das sich aus der Entwicklung heraus ohne konkrete Vorgaben immer wieder neu formt – prozesshaft und explorativ zugleich.“
Weiterführende Links
„Zentrum under Construction“