RIP: Tony Oxley
Nachdem Tony Oxley seinen Militärdienst, in dessen Military Band er sich in Musiktheorie und Harmonielehre unterrichten ließ, geleistet hatte, heuerte er Anfang der 1960er-Jahre auf der Queen Mary an, um als Schlagzeuger der Jazzband die Passagiere auf der Überfahrt nach New York zu unterhalten. Jedesmal, wenn Oxley dann in New York anlandete, zog es ihn sofort in die Jazzclubs dieser Metropole an der amerikanischen Ostküste, um dort nächtelang afroamerikanischen Drummern wie zum Beispiel Philly Joe Jones oder Art Blakey zuzuhören und ihr Spiel zu studieren. Von den Altvorderen des afroamerikanischen Jazz zu lernen: Das war sein Studium dieser Musik.
Während dieser Zeit leitete Oxley in seiner Heimatstadt Sheffield im Norden Englands, wo er am 15. Juni 1938 geboren wurde, auch ein eigenes Jazzquartett, mit dem er das in New York gehörte ausprobieren und sich zu eigen machen konnte. 1963 kam es dann zur Gründung des Trios Joseph Holbrook, benannt nach einem englischen Komponisten der Neuen Musik. Mit dem Gitarristen Derek Bailey und dem Bassisten Gavin Bryars experimentierte Oxley eine Weile lang mit einer tatsächlich frei improvisierten Musik. 1966 schlug er erneut eine Volte, als er nach London zog, wo er Hausschlagzeuger im Ronnie Scott’s Jazz Club wurde. In dieser Funktion begleitete er US-amerikanische Jazzgrößen während ihrer Gastspiele in der britischen Hauptstadt – wie beispielsweise Joe Henderson, Lee Konitz, Charlie Mariano, Stan Getz, Sonny Rollins oder Bill Evans.
Doch sein Hauptaugenmerk war die Avantgarde der improvisierten Musik. Um sein Schlagzeugspiel zu kultivieren, orientierte er sich am Klang und richtete es eher vertikal als horizontal aus. Zudem ging es ihm auch um eine Erweiterung des akustischen Raums. Deshalb kombinierte er sein Drumset mit allerlei, auch selbstgebauten Kleinst-Perkussionsinstrumenten, später auch noch ergänzt durch elektronische und digitale Gerätschaften.
Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre gehörte Oxley zur Speerspitze der britischen Avantgarde-Musik. Er spielte unter anderem mit Evan Parker und Kenny Wheeler, veröffentlichte das Album „The Baptist Traveller“, gehörte dem London Jazz Composers Orchestra an und gründete mit Bailey und Parker das Indie-Jazz-Label Incus. In den 1980ern war er dann oftmals mit den Saxofonisten Tony Coe oder Anthony Braxton live zu hören.
1988 kam es zum ersten Duo-Konzert mit dem Free-Jazz-Pianisten Cecil Taylor, das als „Leaf Palm Head“ Teil der 1989 auf FMP erschienenen CD-Box „Cecil Taylor In Berlin ‚88“ war. Insgesamt zwölf Alben sind mit diesen so unterschiedlichen Avantgarde-Musikern veröffentlicht worden, jedes ein einmaliges Dokument für das Spielen von Musik aus dem Augenblick heraus. Am 26. Dezember ist Tony Oxley in seiner deutschen Wahlheimat Viersen am Niederrhein im Alter von 85 Jahren gestorben.