80: Joachim Kühn

Joachim KühnJoachim KühnMit Anfang 50 hat Joachim Kühn beschlossen, keine Downs mehr in seinem Leben zuzulassen. Daraufhin zog der Pianist, 1944 in Leipzig geboren, nach Ibizia. Dort, auf der spanischen Balearen-Insel fand er ausreichend Muße, um seine stilistisch vielfältigen Projekte zu entwerfen und zu entwickeln. Mehr noch: Ibiza ist zu seinem Refugium und Rückzugsort geworden. Am 15. März feiert dieser Pianist nun seinen 80. Geburtstag – und schaut auf eine lange, international erfolgreiche Karriere im Jazz zurück. Die nahm 1966 nach seiner Flucht aus der DDR ihren Anfang und hatte schon 1967 einen ersten Höhepunkt, als er mit seinem Quartett beim legendären Newport Jazzfestival in den USA auftrat und im New Yorker Village Vanguard den Saxofonisten Archie Shepp kennenlernte.

1968 kam er zum ersten Mal in die französische Hauptstadt Paris, die seitdem zu seiner zweiten Heimat geworden ist. „Anders als in Deutschland hat man in Frankreich meine Art, Free Jazz zu spielen, sofort akzeptiert“, erzählt Kühn. „In Paris habe ich auch meinen ersten Plattenvertrag gehabt: mit dem französischen Label BYG, das ausschließlich Free Jazz veröffentlichte. Damals lernte ich auch den Saxofonisten Gato Barbieri kennen. Gato holte mich 1972 dann für seine Filmmusik zu ,Der letzte Tango in Paris‘. Paris ist voller Musik. Vor allem aber ist es für mich das Zentrum des Jazz.“

In dieser Zeit traf der deutsche Pianist auch den französischen Bassisten Jean-François J.F. Jenny-Clarke und den Schweizer Schlagzeuger Daniel Humair. Mit diesen beiden Musikern hatte er dann ein Trio, das über viele Jahre das Bild von Jazz aus Europa maßgeblich prägen sollte. „Wir drei bildeten eine Einheit, obwohl wir niemals geprobt haben“, so Kühn: „Ich wollte das zwar immer, aber die beiden mochten es überhaupt nicht. Neue Stücke haben wir immer beim Soundcheck vor den Konzerten einstudiert. J.F. konnte alles vom Notenblatt runterlesen und sofort auf dem Kontrabass spielen. Und Daniel war schon immer ein Fuchs.“

Mit seinem Idol Ornette Coleman verband ihn eine lange und intensive Zusammenarbeit. Und seine Verehrung für Johann Sebastian Bach wurde im gemeinsamen Musizieren mit dem Leipziger Thomanerchor zu einer klanggewaltigen Reminiszenz. Sein älterer Bruder, der Klarinettist Rolf Kühn, war ein frühes Vorbild und wurde nach 1966 auch sein musikalischer Partner. Siggi Loch und Kühn kennen sich seit fast 50 Jahren, als er 1976 das Rock-Jazz-Album „Springfever“ auf Atlantic veröffentlichte. Kühn war dann als Pianist an „Europeana“ beteiligt, erschienen auf Lochs 1992 gegründetem Jazzlabel ACT Music. Mittlerweile hat er insgesamt 19 Alben für ACT aufgenommen, zuletzt „Duo“ mit dem 34 Jahre jüngeren Pianisten Michael Wollny.

Am 12. April wird Kühn in Paris eine besondere Ehre zuteil: Er erhält das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Danach ist er hierzulande noch einmal live als Pianist zu erleben: am 7. Mai im Stuttgarter Theaterhaus, am 10. Mai in der Berliner Philharmonie und am 15. Mai in der Hamburger Elbphilharmonie.

Weiterführende Links
Joachim Kühn bei ACT Music

Text
Martin Laurentius
Foto
Tomasz Sagan

Veröffentlicht am unter News

Deutscher Jazzpreis 2025