Berlin: Fran Lebowitz
Frances „Fran“ Ann Lebowitz, geboren 1950 in New Jersey, war Teil der New Yorker Downtown-Kunstszene der 1970er- und 1980er-Jahre und beeindruckte durch ihren trockenen Humor und ihre bissigen, politischen und gesellschaftskritischen Kommentare. Wiederentdeckt wurde sie 2021 durch die Netflix-Dokumentarserie „Pretend It’s A City“ von Martin Scorsese. Um ihre Miete zahlen zu können, arbeitete sie unter anderem als Putzfrau, Taxifahrerin und Pornodrehbuchautorin, bis Andy Warhol sie als Kolumnistin für sein Magazin „Interview“ anfragte. Später schrieb sie auch Kolumnen für „Mademoiselle“ und „Vanity Fair“, zusammengefasst in dem Kolumnenband „New York und der Rest der Welt“. Als 21-jährige arbeitete sie auch für „Changes“ ein kleines Magazin über Kultur und Politik, dass von Susan Graham Ungaro herausgegeben wurde, der vierten Frau von Charles Mingus.
Im Dezember erzählte Lebowitz in „The Art Of The Story“ Doug Doyle vom Radiosender WBGO über ihre Liebe zu Jazz und ihre Freundschaft mit Charles Mingus. „Ich begegnete Duke Ellington, denn Charles und ich waren bei seinem Konzert und frühstückten dann mit ihm. Das war um fünf Uhr morgens in einem New Yorker Café, das die ganze Nacht geöffnet hatte. Es hieß ,Reubens‘ und war auf der Fifth Avenue Ecke 58th Street. Ich war erstaunt, wie sehr Charles ihn bewunderte und ihm den größten Respekt entgegenbrachte. Umgekehrt neckte ihn Ellington. Charles hasste es zum Beispiel, ,Charlie‘ genannt zu werden, aber Ellington nannte ihn permanent ,Charlie‘. Charles hatte sich ,Apple Pancakes‘ bestellt und Ellington aß mit von seinem Teller, wofür andere gekillt worden wären.“
Auf Doyles Frage, welches Jazzbuch jeder lesen solle, antwortete sie: „Charles hat ein Buch mit dem Titel ,Beneath The Underdog‘ geschrieben, und ich habe mich immer gefragt, wie dieses Buch auf jemanden wirkt, der ihn nicht kennt, denn es ist fast kubistisch. Es ist kein Buch über Jazz in dem Sinne, wie es ein Kritiker schreiben würde. Ich empfehle es den Leuten immer, weil es seiner Musik am nächsten kommt, wenn man es schreibt. Es gibt nicht so viele Musikkritiker, die mich wirklich interessieren. Es gibt ein paar gute, aber auch ich verstehe die Musik nicht auf diese Weise. Ich habe nicht dieses mathematische Verständnis von Musik. Es gibt zwar einen Kritiker für klassische Musik, den ich lese, weil ich seine Texte mag, aber wenn er anfängt, über die Musik aus der Sicht der technischen Musik zu sprechen, habe ich keine Ahnung, wovon er redet.“
Und über Jazz: „Manchmal sagen die Leute, Jazz sei unpopulär, er verliere an Popularität. Ich könnte mich irren, aber Jazz war nie so populär wie der Rock‘n'Roll. Er ist einfach zu gut. Dinge, die wirklich gut sind, sind nie so populär. Es ist nicht so, dass ihn niemand mag. Es wird nicht gehasst. Es ist einfach zu gut für die meisten Menschen. Ich weiß, das klingt elitär. Das liegt daran, dass ich eine Elitistin bin. Aber Amerika ist nicht die Quelle der Kultur. Das war es nie. Jazz ist die große amerikanische Kunstform. Es ist ein Klischee, aber es ist ein Klischee, weil es wahr ist. Man sollte meinen, dass die Leute darauf reagieren würden, und einige tun das auch, denn ich kenne niemanden, der Jazz mag. Entweder man liebt ihn oder er ist einem egal.“ Am Sonntag, den 27. Oktober um 19 Uhr wird Lebowitz im Haus des Rundfunks im Großen Sendesaal in Berlin auftreten.
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