RIP: Barre Phillips
2016 bekam ECM-Chef Manfred Eicher einen Anruf von Barre Phillips. Am Ende seines langen künstlerischen Lebens wolle er noch einmal eine unbegleitete Kontrabasssolo-Platte aufnehmen, sagte der Amerikaner: Diese Aufnahme solle Eicher produzieren und auf ECM veröffentlichen. Dessen Antwort kam prompt: Natürlich werde er das machen. 1968 hatte Phillips, der damals schon in Europa lebte, das erste unbegleitete Kontrabasssolo-Album, „Journale Violone“, der Jazzgeschichte eingespielt. Mit „End To End“ 2018 setzte er dann einen Schlusspunkt hinter eine ganze Reihe von Soloplatten („Face À Face“ 2022 war dann noch mal eine Art Coda im Duo mit dem Live-Elektroniker György Kurtag Jr.), die er zu Lebzeiten veröffentlicht hatte.
Eher kurze Solopiècen waren auf „End To End“ zu finden, in denen sich einmal mehr Phillips’ Vision eines Improvisationskünstlers offenbarte: Das Ohr ist das Sinnesorgan, das am direktesten und am schnellsten auf Impulse von außen und innen reagieren kann. Mit unterschiedlichen Spieltechniken, pizzicato oder arco, entwarf er seine Klangskulpturen im akustischen Raum. Jeder Ton war von Bedeutung und wurde ad hoc analysiert und reflektiert. Stille war für Phillips ein dramaturgisches Mittel, um Spannung zu erzeugen, selbst der Aufnahmeraum korrespondierte mit den Klangtrauben seines Kontrabasses. Es war zumeist eine tonal freie Musik, die Phillips vortrug, nur geformt und strukturiert durch einen intuitiven Prozess, dessen Fortgang allein das Ohr bestimmte.
Phillips, 1934 in San Francisco geboren, studierte zunächst Romanistik in Berkeley, bevor er 1962 nach New York ging, wo er sich von Frederik Zimmermann auf dem Kontrabass unterrichten ließ. Dort arbeitete er mit Gunther Schuller, war Solist für ein Konzert der New Yorker Philharmoniker unter der Leitung von Leonard Bernstein und wurde 1964 Mitglied im Jimmy Giuffre Trio. 1967 zog er nach Europa, wo er unter anderem mit Mike Westbrook, Rolf und Joachim Kühn arbeitete. Stilbildend war sein Spiel auf dem Kontrabass in The Trio mit Stu Martin und John Surman, mit Dave Holland nahm er 1971 das Album „Music From Two Basses“ auf und ab den 1980er-Jahren war er oftmals im London Jazz Composers Orchestra seines Instrumentalkollegen Barry Guy zu hören. Zudem schrieb er Filmmusik für Robert Kramer oder Jacques Rivette und komponierte Ballettmusik für die Tänzerin Carolyn Carlson. Am 28. Dezember ist Barre Phillips im Alter von 90 Jahren in Las Cruces im US-Bundesstaat New Mexico gestorben.