Kinostart: Köln 75
Köln 75Vergangenen Donnerstag fand die sogenannte „Köln-Premiere“ von „Köln 75“ statt. Das sei kein Musikfilm über ein berühmtes Konzert, gab der Regisseur dieses Films, Ido Fluk, dem Premierenpublikum zuvor im Ehrenfelder Cinevova mit auf den Weg. Vielmehr wolle er damit diejenigen feiern, die ansonsten ihre Arbeit als Kulturschaffende unsichtbar hinter den Kulissen erledigen würden. Aufhänger des Films ist das Klaviersolokonzert von Keith Jarrett am späten Abend vom 24. Januar 1975 in der Kölner Oper – ausschließlich aus der Sicht von Vera Brandes erzählt, die dieses Konzert als 17-Jährige veranstaltet hat. Über weite Strecken geht es aber in diesem Film gar nicht um diesen Auftritt, der mitgeschnitten und Ende November 1975 als „The Köln Concert“ von ECM Records auf Platte veröffentlicht wurde, die sich seitdem über vier Millionen Mal verkauft hat.
Mehr als die Hälfte von „Köln 75“ ist in gewisser Weise ein Coming-of-Age-Film. Er zeigt die (auch amourösen) Abenteuer der Kölner Schülerin Vera Brandes aus gutem Hause. Er zeigt auch, wie die von Mala Emde frech mit viel Leidenschaft und Energie gespielte Brandes gegen den Widerstand ihres Vaters (Ulrich Tukur) und der Schule versucht, für den Londoner Saxofonisten Ronnie Scott eine Deutschlandtournee zu buchen, bevor sie als Konzertveranstalterin unter anderem für die Reihe „New Jazz In Cologne“ noch als Teenager gutes Geld verdient.
Auf den Berliner Jazztagen 1974 hört sie nicht nur Miles Davis, sondern auch den Pianisten Keith Jarrett mit einem seiner Solokonzerte – und ist von diesem Künstler begeistert und fasziniert zugleich. Zurück in Köln setzt sie alles daran, diesen amerikanischen Jazzmusiker für ein Konzert zu engagieren. Der Intendant der Kölner Oper lässt sich von Brandes dazu überreden – allerdings erst mit Zahlung von 10.000 Mark (die sie von ihrer Mutter bekommt) und nach Alban Bergs Oper „Lulu“ am Abend eben dieses 24. Januars 1975 um 23 Uhr.
So weit, so gut. Was „Köln 75“ aber problematisch macht, ist die Darstellung der Geschehnisse um das eigentliche Konzert, um das sich viele Legenden und Mythen ranken – allen voran die vom angeblich kaputten Stutzflügel, der anstelle des versprochenen Bösendorfer Imperial auf der Bühne gestanden haben soll. Was anfangs ein guter dramaturgischer Kniff gewesen zu sein schien, dass der Regisseur für seinen Film einen amerikanischen Musikjournalisten namens Michael Watts erfindet, entpuppt sich später als absurde Farce.
Fluk setzt den übergewichtigen und nerdigen Watts mit dem Pianisten, mit dem er am nächsten Tag ein Interview führen will, und dessen Produzenten Manfred Eicher in den engen R4, zusammen legen sie darin die lange Fahrt vom schweizerischen Lausanne nach Köln zurück. Dabei sprechen sie auch über Musik und Jarretts Karriere – klischeehaft mit vielen esoterischen Kalendersprüchen versetzt und oftmals vom mahnenden Satz unterbrochen, dass das gerade Gesagte nicht veröffentlicht werden dürfe. (Begleitet werden diese Szenen immer wieder vom Gelächter des Kölner Premierenpublikums, das weiß, dass Eicher und Jarrett es abgelehnt hatten, am Film mitzuwirken.)
Als diese so dröge Truppe in Köln auf das Energiebündel Vera Brandes trifft, werden Eicher und Jarrett endgültig zu tumben Bedenkenträgern degradiert. Am Schluss lassen sie sich vom Wirbelwind Brandes regelrecht überrollen und können nicht anders, als das Konzert, das Jarrett wegen der widrigen Umstände eigentlich nicht spielen will, dann doch noch möglich zu machen.
Die Originalmusik kommt in „Köln 75“ nicht vor. Fluk und das Produzententeam haben sich stattdessen unter anderem die Unterstützung des Schweizer Pianisten Stefan Rusconi gesichert, der, tatsächlich spannend, seine Sicht auf die Klaviersolomusik des Amerikaners dem Jarrett-Darsteller John Magaro gleichsam in die Finger spielt. Und überraschend: Das eigentliche Konzert wird am Ende im Film mit einem Stück Popmusik aus der Zeit unterlegt. Man sieht Jarrett zwar auf der Bühne vor den ausverkauften Rängen der Kölner Oper am Flügel sitzen, hört ihn aber nicht spielen. Deutscher Kinostart von „Köln 75“ ist der 13. März.
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„Köln 75“