RIP: Terry Callier
Ich weiß nicht, ob es seine letzte große Tournee war: Jedenfalls habe ich Terry Callier 2002 bei einem der „JazzNights“-Konzerte in Deutschland zum letzten Mal live auf der Bühne erlebt. Damals, vor zehn Jahren, war der Sänger im Doppelpack mit Dee Dee Bridgewater auf Tournee und machte unter anderem Station in der Alten Oper in Frankfurt. Dort lieferte er mit seinem nur mit Percussion und E-Bass besetzten Trio ein faszinierendes Kontrastprogramm zur lautstarken Bridgewater. Er sang nicht nur seine Songs mit leiser, intensiver Stimme, deren Timbre so viel Seele offenbarte und mit der er direkt und ohne Filter die Herzen seiner Zuhörer erreichte. Nein, er lebte seine Songs geradezu. Sein Wunsch nach „Peace, Freedom, Justice“ war bei ihm kein wehmütiges Erinnern an die Aufbruchsjahre der Bürgerrechtsbewegung in den USA. Es war ihm vielmehr ein Herzenswunsch, dass diese drei kurzen Worte auch am Anfang des neuen Jahrhunderts nichts von ihrer Bedeutung und Relevanz verlieren. Dass Callier seinen Wunsch so eindringlich und tiefgründig in einen akustischen Folk-Soul-Jazz übersetzte, das ließ ihn und seinen einmaligen Genre-Mix zeitlos werden.
Dass Callier irgendwann einmal große Konzerthallen wie die Alte Oper bespielen sollte, dass seine Alben gar in die Popcharts einsteigen könnten, davon war der Singer/Songwriter und Gitarrist bei seinem Karrierebeginn in den 1960er-Jahren meilenweit entfernt. Er wurde 1945 in den berüchtigten „Cabrini Green Housing Projects“ im Norden Chicagos geboren, war ein Jugendfreund von Curtis Mayfield und erlangte als Teenager einige Berühmtheit als Sänger in seiner Heimatstadt. Dort, in den Bars und Jazzclubs der „Windy City“, erfand er seinen Stilmix, mit dem er die raue Ursprünglichkeit des Folk mit der Hingabe des Soul und der lässigen Phrasierung des Jazz kombinierte. Vor allem mit seinen drei Alben für Cadet Records, „Occasional Rain“, „What Color Is Love“ und „I Just Can’t Help Myself“, gab Callier eine musikalische Visitenkarte ab, die ihm dann beim zweiten Karrierestart helfen sollte. Doch bis dahin, Anfang der 1990er, machte er zuerst einmal Pause und arbeitete als Programmierer und Techniker an der University Of Chicago.
Vor rund 20 Jahren gruben englische DJs Calliers frühe Aufnahmen und Alben aus. Als die beiden „Acid-Jazz-Masterminds“ Eddie Piller und Gilles Peterson nicht nur auf den „kleinen“ Sänger und dessen gleichermaßen ergreifende wie melancholische Musik aufmerksam wurden, sondern auch dafür sorgten, dass er wieder in aller Munde war, ging es für Callier steil bergauf. Spätestens nach seinem Album für das altehrwürdige (Jazz-)Label Verve, „Timepeace“, 1998 fragte man sich, wieso er mit seiner ebenso schlichten wie authentischen Musik so lange in Vergessenheit geraten konnte. Callier wurde kein Megastar. Ganz im Gegenteil: Er blieb sich selbst und seiner Musik treu – obwohl oder gerade weil er als Sänger endlich auch von den Plattenverkäufen und Konzerttourneen leben konnte. Und eines ist sicher: Ohne Calliers frühe und auch späte Aufnahmen wäre der mittlerweile so populäre akustische Soul nicht denkbar. Am 28. Oktober ist Terry Callier nach langer Krankheit gestorben – gerade einmal 67 Jahre alt.