Christoph Beck Quartet
Gute Führung
Wer schon als Grundschüler ein Blasinstrument schätzen gelernt und im dörflichen Musikverein mitgemacht hat, der stammt meistens aus dem Süden der Republik. Auch Christoph Beck hat mal klein angefangen, aber das ist lange her. Jetzt veröffentlicht der Saxofonist sein erstes Album als Leader, mit 30. „Bin ich zu alt für die JTNG?“ Keineswegs. Ein reifes Stück aus der Abteilung Modern Jazz kommt mit der Folge 67 der Jazz thing Next Generation auf uns zu.
Christoph Beck hat als Knirps auch Polka gespielt, er hat eine Ausbildung als Kirchenmusiker, aber seine „eigene“ Musik ist der Jazz, schon sehr lange. Wäre da nicht der Club in Singen-Hohentwiel gewesen und sein Geschichtslehrer damals, als er so um die 16 war, wer weiß, wo der Saxofonist heute wäre.
„Der war Kassierer im Jazzclub und wenn wir Schüler beim Aufstellen der Stühle aushalfen, durften wir abends umsonst ins Konzert. Wen habe ich da alles gesehen. Da waren immer viele Jazzer aus den USA zu Gast.“
Seine erste Auszeichnung als Saxofonist hat Christoph Beck, wen wundert’s, während der Schulzeit eingesteckt, dann kam ein Preis bei Jugend jazzt, der Young Lions Jazz Award Stuttgart schloss sich an und auch den Preis der deutschen Schallplattenkritik hat Beck bereits vor ein paar Jahren bekommen, als Mitglied der Tobias Becker Big Band.
Studiert hat er in Stuttgart, Wien und Würzburg, in zahlreichen Bands und Orchestern hat er gespielt, auch heute ist der Stuttgarter in vielen unterschiedlichen Ensembles aktiv, er unterrichtet an einer Jugendmusikschule, wirkt mit in Theater- und Musicalproduktionen und sein Engagement in der Gruppe Groove Inclusion mit Behinderten ist ihm wichtig.
Unter den eigenen Projekten, mit denen Beck unterwegs ist, befindet sich auch die Band Das Letzte Känguru, die gerade ihr zweites Album veröffentlicht.
„Das Känguru war ein Teil meines Abschlusskonzerts vom Bachelor“, natürlich hat er das Studium mit der Auszeichnung summa cum laude beendet. „Diese Band fungiert als Kollektiv, wo jeder der Beteiligten seine Kompositionen beisteuert. Das ist gut. Aber: Ich wollte auch mal etwas komplett Eigenes machen, wo ich selber die Entscheidungen treffe, als Leader. Wo ich meine Kompositionen vorstelle. Deshalb habe ich mein Quartett gegründet, das Christoph Beck Quartet.“
Das Ergebnis heißt Reflections (Double Moon/in-akustik) und das Cover des Albums präsentiert selbstverständlich die Hauptperson des Albums mit ihrem Instrument, selbstbewusst in die Kamera schauend. Ein Quartettfoto dann im Inneren, im Booklet und auf der CD.
„Das sind ganz bestimmte Leute, und natürlich sind die Jungs alle sehr wichtig für mich und meine Musik“, ergänzt Christoph Beck und erklärt weiter: Da sei der Bassist Sebastian Schuster, der neben dem Jazz- auch ein Klassikstudium absolviert habe und mit dem der Saxofonist schon „ganz lange“ befreundet sei. Dessen Ideen, wann er zum Beispiel mal den Streichbogen ansetzt, schätzt der Bandleader ebenso wie die Vorschläge des Schlagzeugers Thomas Wörle in Sachen Groove.
„Ich wollte ihn unbedingt dabeihaben, weil ich mir sein Spiel bei den Stücken gut vorstellen konnte. Den Pianisten Andreas Feith habe ich während einem Jazzmeeting im schweizerischen Frauenfeld kennengelernt. Auch mit ihm passt es sowohl menschlich wie auch spielerisch.“
Eine ausgesuchte Gruppe also, deren Motor trotz der Entfernung zwischen den Heimstätten Stuttgart, Köln und Nürnberg immer gleich anspringt, wenn man sich trifft.
Einige Kompositionen hat Beck wenige Monate vor den Aufnahmen geschrieben, andere sind bereits lange vor der Bekanntheit mit den Bandkollegen entstanden, etwa das Stück „Dolor“, wo folkloristische Wurzeln stürmische Expressivität provozieren, oder das während des Studiums in Wien geschriebene „Castellezgasse“. Das Quartett aber hat sich alles neu angeeignet, der Drummer hat für das Wiener Stück einen neuen, schweren Groove inszeniert, der Bassist ein melodisches Solo beigesteuert, welches die melancholische Tendenz mit spielerischen Zügen umkreist und dem Saxofon die Tür öffnet zu epischen Improvisationen.
„Castellezgasse“ ist nicht der einzige Track auf „Reflections“, der sich dem Tongeschlecht Moll nähert. Bei einigen balladesk tänzelnden Melodien des Albums fühlt man sich an manche klassischen Alben aus den Sechzigern erinnert.
„Ich höre eigentlich mehr aktuellen Jazz als die Klassiker, aber natürlich kommst du an denen nicht vorbei. Klar war Coltrane für mich wichtig, aber auch Gato Barbieri – seine Kraft, das Expressive, Unbändige –, natürlich Stan Getz: Was er mit dem Ton macht, wie er die Phrasen gestaltet. Dexter Gordon. Jetzt, heute steht für mich Chris Potter ganz oben, auch als er noch bei Dave Holland Alt gespielt hat.“
Und dann schwärmt Christoph Beck noch von Bob Mintzer und dass er die Yellowjackets super findet.
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