Claire Parsons
Mal wieder Kind sein
Aus der Mitte Europas, nämlich aus Luxemburg, stammt das Quintett der jungen Sängerin Claire Parsons, das mit „In Geometry“ (Double Moon/in-akustik) in der „Jazz thing Next Generation“-Reihe debütiert. Dabei ist dessen Musik alles andere als geometrisch.
Vor zwei, drei Jahren hat Claire Parsons ihre Band mit Bassist Pol Belardi, Drummer Niels Engel und Pianist Jérôme Klein ins Leben gerufen, später kam noch der israelische Gitarrist Eran Har Even hinzu, mit dem die Sängerin auch im Duo unterwegs ist. Sämtliche neun Songs auf „In Geometry“ stammen aus ihrer Feder, werden aber von der gesamten Band gemeinsam in Szene gesetzt.
„Songs zu schreiben fällt mir leicht“, grinst Parsons. „Meistens beginne ich mit einer Akkordfolge, die Texte sind dann schon schwieriger. Die Melodie gibt einen Rahmen und man möchte einfach, dass der Text da reinpasst, dafür muss man ihn ziemlich zuschneiden. Manchmal ist es schwierig, die Worte so zu drehen, dass es passt. Es gibt Vokale, die am Anfang eines Satzes besonders gut klingen oder am Schluss. Dann gibt es auch noch Noten, auf denen man gerne ein ‚A‘ oder ‚E‘ haben möchte. Außerdem braucht man Worte, die schön klingen, denn manche Worte, die man schön findet, singen sich einfach nicht so gut.“
Der Albumtitel setzt sich in den Songtiteln, etwa „Line. Dot. Curve“ oder „Cube“, fort, die Band agiert wie ein verschworener Haufen. Sie inszeniert mit viel Stil eine intime und einzigartige Atmosphäre, zu der jeder Musiker mit seinem jeweils unterschiedlichen Background – Pol Belardi ist zum Beispiel für seine schnittige Fusionband Force bekannt, Jérôme Klein war auch schon bei der JTNG-Band Metromara an Bord – die passenden Akzente beisteuert.
„Wir sind alle gute Freunde, auch privat, aber es muss natürlich auch musikalisch stimmen“, findet Parsons, „und das sind einfach die Musiker, mit denen ich am liebsten arbeite. Wir respektieren uns gegenseitig, und das ergibt eine gute Arbeitsmoral. Was nützt einem ein toller Musiker, mit dem man nicht gut arbeiten kann?“
Die Grundstimmung des Albums ist ruhig, viele von Parsons‘ Songs klingen zurückgenommen. Beispielhaft ist die zauberhafte Ballade „No Shape“, in der Har Even zunächst Wattewolken in die Luft zeichnet, bevor nach der ersten Strophe ein schleppender Rhythmus einsetzt, der von sanften, aber bestimmten Klavierakkorden begleitet wird – später wandelt sich das Lied zur rauschhaften Pophymne.
„Was mir am Herzen liegt, ist, dass die Musik schön klingt“, gibt Parsons zu. „Das kann durchaus auch mit Elementen gelingen, die zunächst ein wenig stören. Man soll sich in meiner Musik wohlfühlen, aber eben nicht nur, es kann auch fordernd sein.“
Mit der Musik ging es für Parsons schon früh los, sie lernte bereits als Fünfjährige Klavier, später kam die Gitarre hinzu.
„Cat Stevens ist einer meiner Helden“, erzählt die Sängerin. „Meine Eltern haben mir seine Musik vorgespielt, und sie ist irgendwie haften geblieben. Ich hatte aber schon immer Bock auf Musik, und meine Eltern hatten einen riesigen CD-Schrank. Da habe ich mich jeden Tag stundenlang bedient, und es war wirklich alles dabei: Elton John, Red Hot Chili Peppers, Toni Childs, Duran Duran, REM, Pet Shop Boys, die Beatles … Den Jazz habe ich erst viel später entdeckt, als ich eine CD mit einem Stride-Piano-Player bekam.“
Diese Erfahrung hat letzten Endes dazu geführt, dass Parsons Jazzgesang studiert hat, unter anderen in Brüssel bei David Linx und Diederik Wissels, und diverse Preise, darunter den Luxembourg Music Award, hat sie auch schon eingeheimst.
„In Geometry“ schließt mit dem wunderschönen „Ursa Major“. Das Sternbild des großen Bären – eigentlich die „größere Bärin“ – ist bei uns auch als „Großer Wagen“ bekannt und geht zurück auf die klassische griechische Mythologie. Der Sohn von Zeus und Kallisto wurde von Zeus‘ eifersüchtiger Gattin Hera in einen Bären verwandelt, der später beinahe seine Mutter getötet hätte. Daraufhin wurden beide von Zeus in den Himmel verbannt. Kallisto ist die Große Bärin, ihr Sohn Arkas der Kleine Bär – Claire Parsons hat die Geschichte kurzerhand umgedreht.
„Es geht darum, dass man wieder Kind sein möchte“, führt die Sängerin aus. „Das Gefühl habe ich manchmal. Das hat auch damit zu tun, dass man als Erwachsene nicht mehr dasselbe Verhältnis zu seinen Eltern hat wie als Kind. ‚Ursa Major‘ ist zwar der große Stern, aber in meinem Lied ist es das Kind vom kleinen Stern.“
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