Driftwood Quartet
Vier Menschen, die sich gern haben
Ein stolzes Jubiläum: „Litha“ (Double Moon/Bertus) vom Zürcher Driftwood Quartet ist die 100. Veröffentlichung in der „Jazz thing Next Generation“-Reihe. Wie der Zufall es will, steht dieses Quartett exemplarisch für die Ziele, die wir uns mit dieser Reihe gesetzt haben, denn es spielt nicht nur eine frische, vitale und originelle Musik, sondern besteht auch noch aus zwei Frauen und zwei Männern – als hätte die Jazz-thing-Beauftragte für Geschlechterparität, die es nicht gibt, es so bestellt.
Das Driftwood Quartet ist ein Produkt der Zürcher Jazzszene. „Zürich ist sehr lebendig und anregend und sehr vielseitig“, findet Joachim Frey, Gitarrist und Komponist der Band. „Es gibt Jamsessions an der Hochschule und im Jazzclub moods, es ist wohl die größte Szene in der Schweiz mit vielen Clubs und Ausgehmöglichkeiten. Man kennt sich, und die Stimmung ist gut. Die Popmusik ist auch nicht weit entfernt, was ich gut finde, weil sich so Grenzen verwischen. Es gibt sehr viele interessante Projekte, es gibt die Werkstatt für freie Improvisation. Zürich ist außerdem ein sehr interessanter Ort zum Leben, mir würde es nicht im Traum einfallen, von hier wegzugehen.“
Am Anfang stand das Duo, das Frey zusammen mit der Sängerin und Bassistin Jeanaine Oesch ins Leben gerufen hatte. „Wir haben Standards und Popsongs gespielt, die wir neu arrangiert haben“, erinnert Frey sich. „Der Schlagzeuger Samir Böhringer hat ein Konzert von uns gesehen und wollte mit uns spielen. Zu dritt haben wir dann während Corona eine Live-Session ins Netz gestellt und Konzerte gegeben. Da waren dann auch schon erste Kompositionen von mir dabei. Für das Album wollte ich dann Songs ohne Texte, mittlerweile war die Saxofonistin Marina Iten dazugekommen. Gesang haben wir ja dennoch auf dem Album, aber er wird wie ein weiteres Instrument eingesetzt.“
Freys höchst individuelle Kompositionen mit ihren polyrhythmischen Strukturen sind komplex und ambitioniert, dabei aber immer zugänglich und groovy. Die sieben Songs, die Frey für „Litha“ geschrieben hat, sind zwar durchkomponiert, geben den Bandmitgliedern aber dennoch reichlich Raum für Improvisation. Der textlose Gesang von Jeanaine Oesch wirkt dabei wie ein fünftes Instrument, das das Klangspektrum der Zürcher Viererbande erheblich erweitert.
Dass hier viele Einflüsse zusammenkommen – Böhringer spielt noch bei Meta Zero und dem Chronos Collective, Iten hat schon mit großen Ensembles von Christian Muthspiel und Nicole Johänntgen zusammengearbeitet, und Oesch unterhält ihr eigenes Projekt Jeanaine Jarret und ist ein wichtiger Teil der Band von Debora Monfregola –, tut der Musik gut und macht sie so erfrischend, weltoffen und im besten Sinne vielseitig.
Seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter können gut damit leben, dass die Band ausschließlich Freys Kompositionen spielt. „Ich bin halt der Einzige, der für diese Band schreibt“, so Frey achselzuckend. „Marina, Jeanaine und Samir schreiben schon auch, aber für andere Bands und in anderen Genres. Meine Kompositionen erarbeiten wir allerdings gemeinsam, die Band ist schon wichtig, wenn die Stücke zum Leben erweckt werden. Der erste Song auf dem Album beruht zum Beispiel auf einem Groove von Samir, der mir vorschlug, ein Stück daraus zu machen.“
Nicht nur deshalb ist Samir Böhringer ein essenzieller Bestandteil der Band. „Er hatte auch die Idee, sich bei JTNG zu bewerben“, erzählt der Gitarrist. „Abgesehen von seinem musikalischen Input, der natürlich extrem wichtig ist, macht er auch noch unser Booking. Im Studium lernt man leider nur sehr wenig über die wirtschaftlichen Dinge, die man als Jazzmusiker beachten muss. Ich hatte das Glück, diese Dinge durch ihn zu lernen, er war wie ein Coach für mich.“
Der frische und vitale Fusionsound, den das Driftwood Quartet spielt, lebt logischerweise stark von den Beiträgen der vier Musikerinnen und Musiker. „Nach wie vor sind Frauen in der Jazzszene in der Minderheit“, bedauert Frey. „Sängerinnen gibt es viele, aber bei den Instrumentalistinnen sieht es mau aus. Ich wähle meine musikalischen Partner allerdings nicht nach Geschlecht aus und auch nicht danach, für wie kompetent ich sie halte und wie fähig sie sind, meine Musik zu spielen. In der Hauptsache spiele ich mit Menschen, die ich mag und die ich gern habe und die mir die Sicherheit geben, mich frei entfalten zu können. Unsere Besetzung hat sich ganz natürlich ergeben, und als ich meine eigene Musik aufnehmen wollte, war es völlig klar, dass ich das mit dieser Formation mache.“