Flying Cakes

Es muss nicht immer Jazz sein

Das Berliner Quartett des Pianisten Benjamin Geyer firmiert unter dem schönen Namen Flying Cakes, und das hat durchaus seinen Grund. „19 Ways To Rain“ (Double Moon/in-akustik) heißt seine Debüt-CD, und die Nr. 77 in der „Jazz thing Next Generation“-Reihe zeichnet sich durch ein ganz besonderes Bandgefühl aus.

Flying Cakes – 19 Ways To Rain (Cover)

„Schon als Student habe ich Jazz thing gelesen, und die „Next Generation“-Reihe hat mir gut gefallen, vor allem durch Musiker wie Benjamin Schaefer“, erklärt Benjamin Geyer seine Bewerbung in der Nachwuchsreihe von Jazz thing, und mit Bassist Thomas Kolarczyk hat er auch noch einen Musiker in der Band, der vor genau einem Jahr hier debütiert hat. „Als dann Thomas mit seiner CD ‘Halbträume’ als Nr. 72 dort angefangen hat, dachte ich: Mensch, jetzt wird es aber Zeit.“ Die Flying Cakes gibt es nämlich bereits seit knapp fünf Jahren – die Band hat sich also Zeit gelassen, worauf der Songtitel „Gentlemen Don’t Run“ anspielen könnte. Den ungewöhnlichen Bandnamen hat Geyer als Graffito auf einer Wand entdeckt. „Flying Cakes ist kein jazztypischer Name, und das gefällt uns gut“, meint der Pianist. „Bandnamen fand ich immer schon spannend. Ob eine Philosophie dahintersteckt oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle.“

In ihrer Anfangszeit nannte sich die Band Jamin Chirer Quartett, was schon jazztypischer klingt, aber auch einen gewissen Twist hatte.

„Jamin ist eine Abkürzung meines Vornamens, und Chirer ist der Mädchenname meiner Mutter, die Eltern meiner Mutter sind 1956 aus Budapest geflüchtet“, erläutert Benjamin Geyer. „Das Pseudonym habe ich gewählt, weil ich mich nicht als Person in den Vordergrund stellen wollte. Die Musik stammt zwar aus meiner Feder, aber sie wird von uns als Band entwickelt, damit jeder Raum hat für sein Instrument und seine Ideen.“

Von dem jazztypischen Namen ist man dann auch schnell wieder abgekommen, und schon in einer frühen Geschichte im Berliner Tagesspiegel lässt sich der Bandleader mit der provokativen Aussage „Jazz bedeutet mir eigentlich gar nichts“ zitieren – ein Spruch, zu dem er heute noch steht. Die Flying Cakes wollen gar keine typische Jazzband sein.

„Es gibt natürlich Momente, wo der eine oder andere im Vordergrund steht: Hier mal ein Solo, da mal ein Intro“, sagt Geyer, „aber im Großen und Ganzen ist es bei den Flying Cakes ein Geben und Nehmen, bei dem niemand die Hauptrolle spielt.“

Der Opener „Lunatico“ hat gegen Ende seine indierockigen Momente, aber „19 Ways To Rain“ klingt durchaus nach Jazz.

„Es ist schon eine Jazzplatte“, räumt der Pianist ein. „Es ist Jazzharmonik, die Stücke sind während meines Studiums am Jazzinstitut Berlin entstanden, und die Lied- und Sologestaltung ist auf jeden Fall dem Jazzgenre zuzuschreiben. Trotzdem hat bei Weitem nicht jedes Stück ein Solo, und auch mein Solostück ‚Little Men‘ am Schluss ist ja nicht eins, bei dem ich mich als Pianist jetzt wahnsinnig austobe, und das war auch nicht meine Absicht. Es geht uns mehr um Songs, die stark für sich stehen können und nicht unbedingt Jazz sein müssen. Insofern stehe ich schon zu dem alten Statement ‚Jazz bedeutet mir eigentlich gar nichts‘. Mir war zum Beispiel auch unser ‚Interlude‘ wichtig, das im Studio entstanden ist und das Album quasi in zwei Hälften teilt.“

Flying Cakes
Die Flying Cakes legen Wert auf Atmosphäre – der Titelsong verbreitet beispielsweise eine fast schon klaustrophobisch düstere Stimmung – und wollten ein Album aufnehmen, das für sich steht und für den Hörer einen Wert jenseits im Jazz beliebter Tugenden wie Virtuosität oder Komplexität bekommt. Neben Geyer und Kolarczyk gehören der Saxofonist Nils Wrasse und der Schlagzeuger Philip Dornbusch zur Band, und sie alle vereint der Wille, Musik zu kreieren, die emotionale Wucht ganz selbstverständlich mit interessanter Harmonik und einprägsamen Klangbildern verbindet. Instrumentale Klasse ist dabei Grundvoraussetzung, soll aber nicht im Vordergrund stehen.

„Als wir die Platte aufgenommen haben, hat mich das Thema Konzeptalbum interessiert“, erzählt Benjamin Geyer. „Ich hoffe, man hört durch die Dramaturgie und die Abfolge der Songs, dass sie zusammenhängen.“

Wir hoffen einfach mal, dass es die Hörer noch gibt, die Interesse daran haben, ein Album als Einheit anzuhören und wahrzunehmen, denn dabei kann man Entdeckungen machen, die über die Qualitäten einzelner Songs – die im Fall der Flying Cakes durchweg hoch ist – weit hinausgehen.

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Text
Rolf Thomas

Veröffentlicht am unter 128, Heft, Next Generation

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