Haberecht 4

Früh verliebt

Kurz, griffig und nüchtern wirkt der Name dieser Band: Haberecht 4. Logo, es ist das Quartett von Kerstin Haberecht. Die Musik der jungen Saxophonistin klingt allerdings alles andere als lakonisch oder unterkühlt. Für ihr Debüt „Essence“ (Double Moon/In-akustik) hat die Wahlmainzerin aussschließlich auf ihre eigenen Kompositionen zurückgegriffen, und die entsprechen dem Albumtitel in jeder Hinsicht: Eine Kernaussage mit reichem Bouquet.

Haberecht 4 – Essence (Cover)

Sie ist gerade 28 Jahre alt geworden und spielt ihr Instrument mit einem Ton, der ausgesprochen reif klingt – voll und rund und samtig, straight und brüchig und funky; sie schreibt Stücke voll eigener Persönlichkeit, in denen die Kenntnis der alten Jazzgeschichten nicht verschwiegen wird. Kerstin Haberecht hat einen Sinn für starke Melodien und klare Motive,

„Ich bin da nicht sonderlich abstrakt unterwegs“, lacht sie. „Aber Rhythmus ist mir auch sehr wichtig.“

Polyrhythmische Spannungen brechen auf mitten in Kompositionen, die ganz balladesk beginnen, sperrige Breaks und sanfte Melancholie finden mühelos zusammen. Hin und wieder mag es ein wenig nach Monk klingen, nach coolem Souljazz oder auch mal nach europäischem Impressionismus.

„Ich höre eigentlich keine klassische Musik“, kontert die Saxophonistin. „Ich höre sehr viel, sehr viel unterschiedliche Musik. Ich gehe mit offenen Ohren durch den Alltag, nicht nur durch die Musik.“

Doch sie nennt auch ein paar Einflüsse. In letzter Zeit hat Kerstin Haberecht ziemlich viel Ben Wendel gehört, Miguel Zenón und Kenny Garrett, davor Chris Potter und Mark Turner. „Und Chris Cheek vom Sound her, ihn habe ich sehr viel und sehr lange gehört.“

Ihre Band ist seit den Studienzeiten zusammen. Mit dem Schlagzeuger Mathis Grossmann arbeitet die Saxophonistin bereits seit sechs Jahren, Nicolas Hering an Piano und Rhodes sowie der Bassist Bastian Weinig kamen später dazu.

„Die Stücke auf meinem Album sind in einem längeren Zeitraum entstanden. Einige stammen noch aus der Zeit vom Bachelorstudium, andere sind ganz unabhängig davon geschrieben – aus einer Stimmung heraus oder beim Üben, wo sich etwas entwickelt, das einen berührt. Mal ist es auch eine rhythmische Idee, oder beim Hören anderer Musik kommt ein Motiv zustande. Eigentlich sind die meisten meiner Stücke für das Quartettformat geschrieben, aber nicht unbedingt auf die Personen hin, die in meiner Band spielen. Manchmal allerdings überlege ich schon in der Richtung. Es hat sich ja im Lauf der Zeit herauskristallisiert, mit welchen Musikern ich zusammen spielen möchte.“ Die Spielwiese in Haberechts Musik ist klar definiert: „Manche Grooves sind schon sehr in Stein gemeißelt. Da stehen die Sachen fest, aber in den Soloteilen ist natürlich viel Platz für die Ideen der Bandmitglieder.“

Haberecht 4 (Foto: zimbardo.de)

Es ist manchmal gar nicht so einfach, Kerstin Haberecht an die Strippe zu bekommen.

„Nächste Woche geht gar nicht, da bin ich mit der HR Bigband unterwegs. Es geht auf eine Schultour in Hessen, um Kindern den Jazz näher zu bringen. Die Tradition der Improvisation und was alles dazu gehört. Das ist mir sehr wichtig.“

Haberecht unterrichtet selber schon lange, sie richtet als künstlerische Leiterin auch die Jugendjazztage Frankfurt aus. Wie wichtig die Nachwuchsförderung ist, das weiß sie aus eigener Erfahrung.

„Ja, damals war es hip, seine Kinder in die musikalische Früherziehung zu geben und ich bin dafür meiner Mutter sehr dankbar. Sonst wäre ich wohl nicht zur Musik gekommen, denn meine Familie hat damit nichts am Hut.“

Mit neun, „im klassischen Einstiegsalter“, ging es in den dörflichen Musikverein. Am Anfang stand die Blockflöte.

„Der Musikverein wollte mich dann auf die Klarinette bringen, was ich aber gar nicht so cool fand. Ich hatte mich nämlich schon in das Saxophon verliebt und musste sehr dafür kämpfen. Normalerweise fängt man im Musikverein mit der Klarinette an und wechselt später zum Altsax.“

Im Nachhinein bereut sie ein wenig (wie so viele andere Saxophonkollegen bekanntlich auch), dass die Klarinette von ihr übergangen wurde:

„Jetzt muss ich im Profibereich ja auch die Doublings bedienen können und tu mich schwer, im Nachgang die Klarinette zu lernen. Aber ich gebe mein Bestes“, ergänzt Haberecht lachend. „Tja, das konnte man als Kind ja nicht wissen. Da ist’s mit dem Üben und der Motivation dazu bekanntlich ein großes Dauerthema. Da braucht es schon Lust auf das Instrument“, weiß die junge Pädagogin, die auf „Essence“ sowohl Alt- wie auch Sopransaxophon spielt. „Ich liebe auch das Tenorsaxophon, aber es ist die schiere Größe. Wenn man das fünf, sechs Stunden am Hals hat … Ich fühle mich einfach nicht wohl damit, auch wenn ich den Sound mag.“

Es bleibt also bei Alt und Sopran. Doch in diesem Fall ist die Motivation kein Thema.

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Text
Uli Lemke
Foto
zimbardo.de

Veröffentlicht am unter 115, Heft, Next Generation

Deutscher Jazzpreis 2025

1 Kommentar zu „Haberecht 4 – Essence. Früh verliebt “

  1. Hi Kerstin! Das alles kommt mir irgendwie bekannt vor. :-) Viel Glück auf Deiner Karriereleiter! LG Thorsten (Saxophonist, der auch die Musikverein-Klarinette als Kind nicht so mochte) ;-)