Hornung Trio
Es muss brennen
Mehr als ein Jahr ist es her, dass wir in der New Generation ein Trio im klassischen Jazzformat präsentierten. Jetzt ist es wieder soweit. Klavier, Bass, Drums – Ludwig Hornung hat gute Gründe für das Debüt seiner Band auf Lager, musikalisch in jeder Hinsicht überzeugend und verbal sowieso. „So etwas gibt’s ja in Millionen”, lästert unser Neuzugang. Wobei er natürlich nur das Format meint.
Mitte Juni im heißen Berlin. Ludwig Hornung ist auf dem Weg nach Hause, er hat gerade eine Probesession mit einer der vielen Bands hinter sich, in denen er mitspielt. Mit einer anderen nimmt er momentan an einem Wettbewerb in Italien teil, außerdem hat er gleich zwei „eigene“ Bands. Im Triebwerk Hornung mit Wanja Slavin am Sax und Drummer John Schröder spielt der Wahlberliner das Fender Rhodes, die erste CD kam im Frühjahr heraus.
Für sein Hornung Trio, die jüngere der beiden Bands, hat er den lyrischen Bassisten Phil Donkin und den Schlagzeuger Bernd Oezsevim gewonnen. In der Besetzung spielt er sein Lieblingsinstrument, das Klavier. Eins hat er daheim, und da übt er jeden Tag. Wegen der Nachbarn hat er ein silent piano, wo er hin und wieder den Hebel umlegen muss, damit keiner an die Decke hämmert. Seit einer Woche hat er endlich auch einen Proberaum – „zwei Jahre hab ich danach gesucht, ich brauche eine Stunde mit Öffis bis dahin“. Da geht natürlich viel Zeit drauf, aber auf dem Heimweg nach Moabit kann man immerhin telefonieren.
„Mir geht’s immer um Energie und Intensität“, tönt es aus Ludwigs Handy. „Das Klavier ist für mich das Nummer-eins-Instrument. Ich komme von der Klassik, habe eine total klassische Klavierausbildung, russischer Klavierlehrer, strenge Schule. Ich übe fast mehr Klassik als Jazz und vor allem fasziniert mich die Anschlagskultur, interessieren mich diese Vielfarben, die man mit dem Klavier erzeugen kann. Die möchte ich mit meinem Trio berühren, benutzen, ausführen.“
Auf diesem Debüt, das Hornung sinnigerweise „Spieler“ (Double Moon/in-akustik) getauft hat, deckt der Pianist die ganze Reichweite seines Klangkörpers auf: Da kontrastieren – wie im Auftakt „Echo“ – klar strukturierte Akkorde mit frappierend swingender Raserei, für eine Hommage an Wayne Shorter legt er eine ungestüme, boppige Nummer hin, einer balladesken Monk-Komposition entlockt Hornung deren ganzen lyrischen Charme, anderswo verblüffen üppige Orchestrierungseffekte und für das Finale „Nach Hause Wanken“ stürzt das Trio sich mit Wonne wie auch sonst so oft in krumme Metren. Rhythmisch verwegene, kantige Taktarten und saloppe Spielerei stehen einander nicht im Weg, im Gegenteil taugt beides füreinander.
„Hier kann ich mich ganz ausleben. Ich bin sehr an Rhythmik interessiert, mache deshalb auch viel Odd-meters-Kram; ich mache aber auch sehr gern freie Sachen, wo nichts vorgegeben ist und alle möglichen Stilistiken einfließen können.“
Stets hat die Musik des jungen Anschlagsfarbenmeisters in dem Moment, wo sie entsteht, etwas zu sagen. Und dabei gibt es nichts Beliebiges, glaubt man dem Credo des Pianisten und Komponisten:
„Heute ist jeder technisch bestens ausgebildet, jeder kann wunderschön spielen. Da ist viel Kopf dabei, das ist auch korrekt so, aber kommt es auch aus dem Inneren, aus dem Herzen? Es muss brennen“, sagt Ludwig. „Das ist bei allem, was ich mache, das Wichtigste. Jede Sekunde ist ernst gemeint, soll intensiv sein und echt. Die Musik soll im klassischen Sinn schöne Momente haben, es muss aber auch der ganze Dreck rein, sie soll ihre Brüche haben. Ja, hässliche Schönheit“,
lacht er in Anspielung auf Monks „Ugly Beauty“, das in seiner Interpretation mit einem herrlich kitschigen Schluss aufwartet. „Stimmt, klar. Es soll bloß nicht in Gefälligkeit stecken bleiben“, krächzt es aus dem Handy. Monks Stück ist die einzige Coverversion auf „Spieler“. Ludwig schwärmt von dem Visionär, der „schon so schräge Sachen schrieb, als um ihn herum noch der Swing brodelte“. Die ganz großen Vorbilder aber sind Herbie Hancock und Paul Bley.
„Herbie ist vor allem der ‚Voicing‘-Gott für mich. Bley war einer der Ersten, die einen unfassbar kultivierten und farbenreichen Anschlag ins Jazzklavier gebracht haben.“
Es muss brennen. Für die Einlösung seines Anspruchs setzt Hornung folglich nicht einfach auf die, wie er lobend erwähnt, „technische Meisterhaftigkeit und rhythmische Fertigkeit“ seiner Mitspieler Donkin und Oezsevim.
„Das Wichtigste ist für mich, dass meine Mitmusiker nicht nur Know-how und Skills haben, sondern dass man den Menschen hinter der Musik spürt, mit dem ich kommunizieren kann.“
Dafür braucht’s die Freiheit des Spiels.
„Gute Musik ist, dass man zusammen etwas kreiert.“
Deshalb hat Ludwig Hornung sein Album und eins seiner Stücke nach dem Dostojewski-Klassiker benannt.
„‚Der Spieler‘ ist eines meiner Lieblings-bücher und der Vibe des Buches, ein ständiges Pendeln zwischen Ruin und Gewinn, Verzweiflung und Höhenflug, hat mich zu dem Stück inspiriert, das ja musikalisch auch zwischen Unten und Oben pendelt. Wie eben das Leben eines Spielers.“
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