Jonathan Salvi
Wie klingt Rucola?
Normalerweise hat jedes Talent, das es in den erlauchten Zirkel der „Jazz thing Next Generation“ geschafft hat, einen Plan. Der kleinste gemeinsame Nenner dabei lautet: möglichst schnell Karriere machen. Jonathan Salvi tickt anders. Er will sich erst einen Namen und eine Fanbase schaffen, bevor er den nächsten Schritt in Angriff nimmt. Nicht das einzige Merkmal, das den schweizerischen Vibrafonisten von anderen Musiker/-innen seines Alters unterscheidet.
An Selbstbewusstsein mangelt es Jonathan Salvi kaum. Er weiß, was er kann und was er möchte. Wer aber jetzt gleich schlussfolgert, wieder einen dieser permanent sich selbst überschätzenden Musiker vorgesetzt zu bekommen, der blendet fahrlässig die Alleinstellungsmerkmale des 30-jährigen Vibrafonisten aus Neuchâtel in der Westschweiz aus. Denn Salvi könnte es dank seiner herausragenden Fähigkeiten schon in kurzer Zeit zu einem der exponiertesten Vertreter seines Instrumentes in Europa bringen.
Außerdem ist er schlau, in puncto Reife schon wesentlich weiter als die meisten 50-Jährigen und vor allem in der Lage, seine aktuelle Rolle realistisch einzuschätzen. So präsentiert sich ein freundlicher, charmanter, im besten Wortsinn ausgeschlafener Zeitgenosse mit einem Bündel an Statements im Gepäck, die man so von einem Hauptdarsteller der „Jazz thing Next Generation“ wahrscheinlich noch nie gehört hat.
„Eigentlich steht mir der Sinn momentan überhaupt nicht nach der klassischen Karriere“, sagt der Frankoschweizer in fließendem Hochdeutsch. „Ich möchte mir hier und in der Region ein Publikum aufbauen, das versteht, worum es im Jazz geht, das Spaß hat und gerne wiederkommt. Das schließt Tourneen in der Schweiz, in Deutschland und in andere europäische Länder überhaupt nicht aus. Aber mein Lebensziel ist es nicht, eines Tages nach Amerika zu kommen, einen dicken Plattenvertrag an Land zu ziehen und in den angesagten Clubs aufzutreten. Ich denke, dass ich mich im Augenblick besser auf das konzentriere, was ich habe, und versuche, es Stück für Stück auszubauen.“
Im Augenblick. Momentan. Derzeit. Solche Worte benutzt Salvi gern, denn damit skizziert er seinen Istzustand als eigenwilliger, fantasievoller, hochbegabter Jazzmusiker, den aber noch kaum jemand kennt. Natürlich will er das ändern. „Aber wenn ich jetzt mit dem Booken für eine Tournee anfangen würde, dann wäre das eine sehr frustrierende Angelegenheit. Ich kenne Kollegen, die haben einen ziemlich stressigen Reiseplan hinter sich und kommen mit gerade mal 500 Franken in der Tasche nach Hause. Das lohnt sich nicht, weder finanziell noch für einen persönlich. Hier in der Schweiz bekomme ich Subventionen, mit denen ich ganz gut leben und mich verwirklichen kann.“
Sein aktuelles Album „Arugula“ (Double Moon/Bertus), das akustische Polaroid eines Sextetts mit Gitarre (Emilio Vidal), Trompete (Paul Butscher), Piano (Robinson de Montmollin), Bass (Jérémie Krüttli) und Drums (Joshua Beureux), entstand in einem solch guten Klima aus produktiver Kreativität und der Lust auf Neues, wobei vor allem die kompositorische Klasse und die vielschichtigen rhythmischen Strukturen der sieben Nummern auf Anhieb die Lauscher auf Empfang stellen.
Und dann ist da noch der Vibrafonist Jonathan Salvi mit seiner exzellenten Technik, die er sich über Umwege als zehnjähriger Trommler im Stile der großen Basler Fasnachttradition, über klassische Percussionstunden, das Erweckungserlebnis von Keith Jarretts „Köln Concert“ und ein Studium an der Hochschule Luzern aneignete. Die rein physische Komponente des Musizierens spielt für ihn eine entscheidende Rolle:
„Wenn ich Vibrafon spiele, dann tanze ich!“
Vor allem, weil er mit vier Schlegeln agiert – dem nach Gary Burton benannten „Burton-Grip“. Salvi steht jedoch nicht unbedingt auf den Grandseigneur am Vibrafon. „Als unbedeutender, junger Schweizer sollte ich keineswegs so etwas über einen derart überragenden Musiker sagen, aber Gary ist mir zu brav. Er spielt wie ein Lehrer.“
Sein absolutes Idol heißt Bobby Hutcherson. Für ihn und seinen schweizerischen Posaunenkollegen Samuel Blaser stellt das Blue-Note-Album „Destination … Out!“ des Altsaxofonisten Jackie McLean von 1963 mit dem blutjungen Hutcherson am Vibrafon die ultimative Platte für die einsame Insel dar, weshalb auch eine Quintettkollaboration mit beiden von 2017 denselben Titel trägt.
Der Name für sein aktuelles Werk kam dem begeisterten Hobbykoch übrigens beim Lesen eines Rezeptes, in dem er auf die Bezeichnung „Arugula“ stieß: „Ich mag schon allein den Sound dieses Wortes.“ Jonathan Salvi findet, dass seine Musik vieles mit Rucola verbindet: das Würzige, das leicht Bittere, das Erfrischende. Und es schmeckt!
Booking MaWeMarketing | Martina Weinmar
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