Linntett
Große Klänge, tiefe Töne
Sopran, Alt, Tenor, okay. Aber Bariton? Das Baritonsaxofon zählt nicht gerade zu den Leichtgewichten seiner Zunft, es ist nicht so häufig in der Solistenrolle zu hören, aber es ist das Lieblingsinstrument von Kira Linn. Die junge Musikerin schätzt nicht nur den tiefen Ton, sondern auch den großen Klang. Deshalb hat sie das Linntett gegründet, ein Sextett inklusive kräftigem Bläseraufgebot, das nun mit den Kompositionen der Bandleaderin in der JTNG debütiert.
Liebe auf den ersten Blick war es wirklich nicht. Kira Linn spielte bereits Tenor, als sie in die Juniorband des Landesjugendjazzorchesters aufgenommen wurde. Weil mal wieder Mangel in der Baritonabteilung der Saxofone herrschte, bekam die damals 16-jährige Schülerin ihr neues Instrument verpasst.
„Ich war erst mal total unzufrieden, weil es zu tief klang, so groß und schwer war. Aber dann begann es mir zu gefallen, weil das Baritonsaxofon so viele Rollen in der Bigband spielen kann – als Teil des Saxofonsatzes, als Bassfigur oft zusammen mit dem Kontrabass oder der Bassposaune, als Melodieinstrument. Eigentlich spielt das Baritonsaxofon die coolste Rolle in der Bigband!“
Beim Lernen des neuen Instruments stieß Kira Linn natürlich auf den Sound von Gerry Mulligan. Sie sagt, er habe sie dazu gebracht, das Bariton nicht nur als eine Funktion im Gefüge der Bigband zu betrachten, sondern auch als Soloinstrument zu spielen.
„Gerry Mulligans Concert Jazz Band mit Bob Brookmeyer! Ich glaube, bei diesem Klangkörper bin ich auf die Idee gekommen, eine Band mit mehreren Bläsern zu gründen.“
Diese Band ist das Linntett, das im letzten März seinen ersten Auftritt hatte, sechs junge Leute, die sich im Studium an der Nürnberger Hochschule für Musik kennengelernt haben, die auch bei Metropolmusik aktiv sind, dem Netzwerk von Musikern vor Ort. Beim Zikadenfestival im Sommer, einem der nachahmenswerten Projekte von Metropolmusik, konnte das Linntett sieben Tage hintereinander spielen.
„Das waren sieben Tage, in denen sich die Band unglaublich entwickelt hat. Deshalb wollte ich auch gleich im Anschluss ins Studio gehen und das Album aufnehmen“, lacht Kira Linn.
Nature (Double Moon/in-akustik) ist das besondere Debüt einer 24-jährigen Musikerin, die nicht nur gerne tiefe Töne spielt – übrigens auch auf der Bassklarinette –, sondern auch das Komponieren schätzt.
„Ich wollte von Anfang an eine Suite schreiben, und die sollte etwas mit Natur zu tun haben. Dabei habe ich mich von Bildern einer Künstlerin inspirieren lassen, die alte Fotos neu bearbeitet.“
Diese Bilder sind im Booklet des Albums zu sehen, dazu Linns Assoziationen zu Stimmungen oder Erlebnissen. Von Anfang an war auch klar, dass die sechs Teile der Suite aus möglichst unterschiedlichen Stücken bestehen sollten – eine Ballade, etwas Tänzerisches, urbane Coolness, ein rasanter Swing … Das balladenhafte „Far“ beginnt mit einer charmanten Melodie, die von Nino Wenger am Altsaxofon und dem Tenorsaxofonisten Christopher Kunz gespielt wird; dann kommt Kira Linn mit der Rhythmusgruppe, verweilt in Distanz gegenüber der Zweisamkeit.
Irgendwann verstummen die Bläser und Victor Mang spielt ein melodisches Solo auf seinem Kontrabass, Pianist Lukas Großmann und Drummer Johannes Koch tupfen sparsame Akzente.
„Bei jeder Komposition übernimmt ein Bandmitglied eine bestimmte Rolle. Ein Stück, das in einem freieren Kontext steht, habe ich ein bisschen für Chris geschrieben, weil er mit modalen Themen sehr coole Sachen machen kann; Nino spielt sehr gut über schnellere Swingstücke – jeder hat so seine Vorlieben und probiert mal was aus. Und so haben wir natürlich herumgetauscht und ausgetestet.“
Man könnte meinen, in den Klangfarben von Kira Linns eigenständigen Kompositionen stecke ebenso viel moderne europäische Klassik wie amerikanischer Jazz, eine Prise Strawinsky neben Spuren von Mulligan & Co. Aber nein, Klassik höre sie so gut wie gar nicht, sagt sie. Stattdessen sehr viel Maria Schneider:
„Sie schafft es, die Klänge aufblühen zu lassen – für mich. Es sind die großen Besetzungen, die mich mitreißen, von Count Basie über Thad Jones über Gil Evans bis hin zu Maria Schneider.“ Das ist es von der Komponistenseite her. Und was sagt sie als Saxofonistin? „Da mag ich es, wo die Melodie im Vordergrund steht. Natürlich steht auch hier Mulligan oben, aber auch der Klang von Joe Lovano gefällt mir.“ Und einer von heute, von den Jüngeren? „Auf jeden Fall Ben Wendel, den mag ich sehr.“
Nach den sechs Teilen der Suite ist die CD noch nicht am Ende angelangt. Es gibt noch ein spritziges Stückchen, deklariert natürlich als Bonustrack.
„Das war tatsächlich, als wir diese sieben Tage gespielt haben, unsere Zugabe. Als dann im Studio alles supergut geklappt hatte, auch weil wir so gut eingespielt waren, haben alle in der Band gesagt: ‚Komm, das nehmen wir auch noch auf.‘ Wie so ein kleines lachendes Abschlussschmankerl. Kurz und knackig.“
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