Matthias Meyer
Der richtige Tritt zur richtigen Zeit
Mit seinem Berliner Quintett tritt Matthias Meyer in der „Jazz thing Next Generation“-Reihe die Reise ins „Niemandsland“ (Double Moon/Bertus) an. Der junge Schlagzeuger spielt mit seiner Band eine überzeugende Mischung aus modernem Jazz, eigenen Kompositionen und abenteuerlustigen Improvisationen.
„Die Band ist entstanden, als wir alle am Jazz-Institut Berlin studiert haben“, erzählt Matthias Meyer. „Ich habe während der Coronazeit viel komponiert und mir dann eine Band für diese Songs gesucht.“ Aufgenommen wurde das Album in den legendären Hansa-Studios in Berlin – „Hansa by the wall“, wie David Bowie zu sagen pflegte –, wo es seinen dynamischen Klang verpasst bekam. Meyer hatte zuvor Unterricht bei Kolleginnen und Kollegen, die ihn mehr oder minder geprägt haben. „Ich habe in Hannover Musik und Politik auf Lehramt studiert, in der Zeit hatte ich Unterricht bei Eva Klesse“, erinnert Meyer sich. „Die hat mir auch empfohlen, nach Berlin zu gehen. Ich war beeindruckt davon, wie organisiert sie war. Sie hat mir immer im richtigen Moment einen Arschtritt verpasst. Irgendwann äußerte ich Zweifel daran, nach Berlin zu gehen, und sie sagte: „Matthias, du kannst es auf jeden Fall schaffen, mach das einfach mal.‘ In Berlin hatte ich Unterricht bei Heinrich Köbberling, bei dem Eva wiederum studiert hatte – da hatte ich genau die richtigen Grundlagen.“
Dabei hatte Meyer zunächst auf einem ganz anderen Instrument begonnen, Musik zu machen. „Angefangen habe ich auf dem Saxofon, weil meine Mutter das wollte“, erzählt der Schlagzeuger schmunzelnd. „Ich hatte nie richtig Lust darauf, war aber zu schüchtern, meiner Mutter das zu sagen. Auf dem Gymnasium war ich dann in einer Rhythmus-AG unseres Musiklehrers, wo man Instrumente ausprobieren konnte. Ich habe das Schlagzeug gesehen und wollte gar nicht mehr weg davon. Schließlich haben mir meine Eltern zu Weihnachten ein Schlagzeug geschenkt.“
Seine eigene Band hat Meyer dann zunächst mit dem Altsaxofonisten Efim Braylovskiy und dem Bassisten Morten Larsen gegründet, bevor der Pianist Jakob Reisener und der Tenorsaxofonist und Bassklarinettist Finn Vidal dazustießen. „Saxofon und Bass waren gesetzt, die anderen beiden kamen dann auch schnell“, erinnert Meyer sich. „Unseren ersten Gig haben wir schon in dieser Besetzung gespielt. Die erste Musik habe ich allerdings nicht mit diesen Musikern im Kopf geschrieben.“
Der einprägsame Albumtitel ist der Coronapandemie geschuldet, die natürlich auch für Meyer einen tiefen Einschnitt bedeutet hat. „Der Name Niemandsland kommt aus dieser Coronazeit“, bestätigt er. „Ich hatte gerade angefangen, in Berlin zu studieren, und auf einmal konnte man niemanden mehr treffen. Ich bin dann zurückgegangen zu meinen Eltern, weil ich dort zumindest Schlagzeug üben konnte. Ich hatte viel Zeit und gleichzeitig hatte ich so viele Eindrücke zu verarbeiten. Wenn man studiert, sammelt man wahnsinnig viele Eindrücke, und wenn man dann eine Pause hat, arbeitet das in einem und setzt sich irgendwie. In der Zeit sind viele Stücke entstanden, es sind aber auch Songs auf der Platte, die ich später geschrieben habe.“
Der zweiteilige Opener „Becoming“, das eindrückliche „The Thought Of Dying“ und das universelle „Escaping From Reality (But Only For 45 Minutes)“ gehören zu den Höhepunkten auf dem durchgängig inspirierten Album. Dabei erhält Meyers Quintett zahlreiche Gelegenheiten, seine ganze Klasse auszuspielen. Die Band mit ihrer emotionalen Tiefe, die Meyers Stücken ständig Elemente der Erneuerung angedeihen lässt, soll in den nächsten Jahren jedenfalls im Mittelpunkt von Matthias Meyers musikalischer Karriere stehen.
Dem Bandgedanken an sich konnte Meyer schon seit langer Zeit eine Menge abgewinnen. „Das Konzept von einer Band fand ich schon immer toll“, schwärmt der Schlagzeuger. „Bei der Brian Blade Fellowship, einer meiner Lieblingsband, äußert sich dieses Konzept ja schon im Bandnamen. Über Jahre miteinander zu spielen und sich zu entwickeln – diesen Gedanken finde ich einfach toll.“
Zurzeit lebt Matthias Meyer in New York, wo er seinen Master am City College machen will. Neben Klesse und Köbberling hatte er auch Unterricht bei Heinz Lichius, Peter Weniger, David Friedman, Carl Allen und Adam Cruz. Preise hat Meyer auch schon gewonnen, so etwa den Jazzpreis vom Jazz-Institut Berlin – verliehen von der Karl Hofer Gesellschaft – und den „DownBeat Student Music Award“ für die herausragende Performance einer Graduierten-Combo.