Michel Meis
Übersetzer eines Gefühls
Noch nie war eine Band aus Luxemburg Protagonist in der „Jazz thing Next Generation“-Reihe, mit dem Album „Lost in Translation“ (Double Moon/in-akustik) des Michel Meis 4tet ändert sich das jetzt. Der Schlagzeuger aus dem Großherzogtum ist ein umtriebiger Musiker, der sein Quartett allerdings ganz traditionell, wenn auch mit einer Posaunistin im Rampenlicht, besetzt hat.
„Anfangs war die Band ein Trio, ich fand aber nach einigen Konzerten, dass etwas gefehlt hat“, schildert Meis die Genese seines Quartetts. „Unser Bassist Stephan Goldbach hat Alisa Klein gekannt, und nach unserem ersten gemeinsamen Konzert war es für mich ganz klar, dass sie in die Band gehört.“
Das tiefe Blasinstrument, das heutzutage leider nur noch selten im Fokus steht, verleiht dem Michel Meis 4tet einen ganz speziellen Sound, weil Alisa Klein eine Posaunistin ist, die ihr Instrument ganz unangestrengt klingen lässt – ein Indiz für die virtuose Meisterschaft der Saarländerin. Die Songs des Debütalbums allerdings stammen fast ausschließlich aus Meis‘ Feder. „Zuerst war es ungewohnt, für Posaune zu schreiben“, gibt der Schlagzeuger zu, „aber mittlerweile ist das kein Problem mehr für mich.“ Vierter im Bunde ist der französische Pianist Cedric Hanriot, den man, ohne die anderen drei herabzusetzen, wohl als den versiertesten Musiker des Quartetts bezeichnen kann. Der Mann ist auf Terri Lyne Carringtons „Mosaic Project“ zu hören und hat auch schon mit der wohl bedeutendsten amerikanischen Jazzsängerin, Dianne Reeves, aufgenommen.
„Cedric Hanriot habe ich vor sechs, sieben Jahren in einem Jazzlokal in Luxemburg kennengelernt“, erzählt Michel Meis. „Da haben wir uns so gut verstanden, dass wir unbedingt mal etwas zusammen machen wollten, und als ich einen Pianisten gesucht habe, war er spontan bereit dazu: ein glückliches Zusammentreffen.“
Meis selbst ist noch keine 30 – und dennoch schon ein alter Hase.
„Das Schlagzeug hat mich schon als kleines Kind fasziniert“, grinst er, „weil es so körperlich ist und man schnell einen eigenen Sound hat. Meinen Abschluss in Luxemburg habe ich als klassischer Schlagwerker gemacht, obwohl ich da auch schon mit Jazzschlagzeug angefangen hatte. Aber als klassischer Schlagwerker hat man eine riesige Menge an Instrumenten zur Verfügung, das wird nie langweilig.“
Was Meis nicht erzählt: Nach seinem klassischen Studium hat er Jazzschlagzeug in Saarbrücken bei Oliver Strauch und Georg Ruby studiert, Meisterklassen bei Christian Lillinger und Christina Fuchs absolviert und sehr erfolgreich bei der Avant-Pop-Band Dock in Absolute gespielt. Außerdem hat er das Melodic-Hardcore-Project Everwaiting Serenade gestartet und spielt im Hanriot Mehari Meis Trio einen poppigen Electro-Jazz. Elektronische Ansätze lassen sich auch auf „Lost in Translation“ ausmachen, wenn etwa im Titeltrack mit Drum-‘n'-Bass-Rhythmen experimentiert wird oder wenn Cedric Hanriot hier und da am Fender Rhodes zu hören ist. In der Band werden alle Ideen gemeinsam umgesetzt.
„Ich schreibe zwar hauptsächlich die Musik, aber wir sind als vier Musiker dennoch alle gleichberechtigt“, betont Meis, „deshalb tritt das Schlagzeug auch nie besonders in den Vordergrund.“
Meis weiß genau, dass aufdringliche Schlagzeugsoli auch nerven können, deshalb hält er seine Solospots kurz, was etwa den energetischen Opener „Desire“ besonders aufregend macht.
Einzige Coverversion des Albums ist eine Fassung des fünf Jahre alten Depeche-Mode-Hits „Heaven“, den Meis und seine Mitstreiter allerdings in eine wunderschöne Rubato-Ballade verwandeln.
„Ich habe Depeche Mode lange ignoriert, aber natürlich habe ich mitgekriegt, wenn ihre Songs im Radio gespielt wurden“, weiß der Schlagzeuger zu berichten. „Auf dem Weg von Berlin nach Luxemburg habe ich dann ‚Heaven‘ gehört, und der Song hat mir sehr gut gefallen. Ich wollte sowieso ein Cover auf der Platte haben, und da dachte ich, das passt doch gut – seitdem habe ich auch immer mehr Depeche Mode gehört. Eigentlich ist es aber gar keine richtige Coverversion, wir haben mehr die Melodie und das Gefühl, das der Song ausstrahlt, übernommen und versucht, das in den Jazzkontext zu übersetzen.“
Dass er in der „Jazz thing Next Generation„-Reihe eine Lanze für sein kleines Heimatland brechen kann, ist für Michel Meis höchst angenehm. „Es freut mich natürlich ganz besonders, als erster Luxemburger in dieser Reihe zu erscheinen, die ich für ein spannendes Format halte“, sagt er. Aber das Michel Meis 4tet ist ganz selbstverständlich eine europäische Band – betonen müssen sollte man das eigentlich nicht, in diesen Zeiten ist es dennoch besonders erfreulich.
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