Oktoposse – Possenballett
Jazz thing Next Generation Vol. 6
Die „Next Generation“ geht ins zweite Jahr. Nachdem die Ausgabe fünf von einem Quintett bestritten wurde, wäre jetzt eigentlich ein Sextett an der Reihe. Aber Jazz thing und Double Moon bleiben da unberechenbar: Bei der Oktoposse handelt es sich selbstredend um ein Oktett.
Ein Interview mit einem Oktett zu machen, ist ein grenzwertiges Vergnügen. Die acht jungen Männer, aus denen Oktoposse besteht, sind zwar mit Feuereifer bei der Sache – aber der gemeinsame Spaß, den die acht beim Musizieren haben, schlägt sich auch auf dem Interview-Tonband nieder. Da wird durcheinander geredet, ein Kalauer jagt den nächsten, und ein roter Fader ist nur schwer auszumachen.
Der Bitte, ihre Musik einmal selbst zu beschreiben, kommt Altsaxofonist Achim Schröter nach, indem er den Begriff „Okto-Jazz“ in die Runde wirft. Ist zwar lustig, aber doch wenig hilfreich – auch die blutleere Formel „Modern Jazz“ bringt einen nur in Ansätzen auf die richtige Spur. „Wir schreiben und arrangieren alle für die Band“, stellt Posaunist Ben Degen klar, und deshalb ist die Debüt-CD „Possenballett“ (Double Moon/sunny moon) eben auch richtig vielfältig geworden.
„Vor zwei Jahren haben wir uns auf einer Ballettveranstaltung kennen gelernt“, versucht Pianist Stefan Schultze mir weiszumachen. „Wenn man so einen guten Namen hat, kann man ja auch nicht sieben oder neun Musiker nehmen – dann müssen’s schon acht sein. Ich wollte einfach Oktett-Arrangements schreiben. Ich finde es spannend, für vier Bläser und zwei Begleitinstrumente – Gitarre und Klavier – zu komponieren. Und dann haben alle angefangen, für die Band zu schreiben. Die Inspiration kommt von irgendwoher, das muss gar keine musikalische Inspiration sein. Mit dem Oktett hat man die Möglichkeit, dass es richtig abgeht – fast schon Bigband-Sound. Auch wenn das bei uns gar nicht so oft vorkommt, so haben wir doch die Möglichkeit – und das ist Klasse.“
Das Studio 672 – Köln-Kenner wissen, dass diese winzige Bühne unter dem Stadtgarten-Restaurant liegt – hat Oktoposse die Möglichkeit eingeräumt, eine eigene Konzertreihe zu gestalten. Das Besondere: Bei jedem Gig wird ausschließlich die Musik eines Komponisten gespielt. Beim Konzert am 20. Februar (2005) wird es sich um Musik von Ribaupierre handeln, aber auch Lars Duppler oder Georg Ruby haben es sich in der Vergangenheit nicht nehmen lassen, für das quirlige Oktett zu schreiben.
„Wir interessieren uns für Leute, die Lust haben, für die Band zu schreiben“, erzählt Trompeter Matthias Knoop, „und ihre Musik dadurch vorzustellen.“ „Wir versuchen auch, Komponisten möglichst unterschiedlicher Art zu bekommen“, meint Stefan Schultze. „Von Performance-Musik über Pop oder Mainstream bis zu Modern war da schon alles dabei. Lars Duppler hat zum Beispiel ein komplett neues Programm für uns geschrieben – das fanden wir natürlich toll.“ Schultze hat bei John Taylor an der Kölner Musikhochschule studiert, und obwohl diese Zeit längst hinter ihm liegt, ist er immer noch ganz begeistert. „Es war mein großer Wunsch, bei John Taylor zu studieren“, meint er, „und ich hatte Glück, daß es geklappt hat. Der war nämlich vorher schon einer meiner Lieblingspianisten.“
Eifersüchteleien bei Repertoireauswahl und Proben kennen die acht nicht. „Wenn jemand mit einem Stück kommt, bleibt es auch fast nie so stehen“, berichtet Achim Schröter. „Durch den Gruppenprozess verändert es sich. Das zeichnet die Band auch aus, dass alle bereit sind mitzuarbeiten.“ Bei der Frage „Komposition oder Improvisation?“ bevorzugen Oktoposse den gesunden Mittelweg. „Ich mag es nicht, wenn ein Stück überkomponiert ist“, sagt Stefan Schultze, „aber genauso wenig, wenn es zu frei ist. Bei uns ist die Mischung zwischen Improvisation und Komposition ziemlich ausgewogen.“
Ein Oktett über zwei Jahre am Leben zu halten, ist an sich schon eine Leistung – dann auch noch gute Musik zu machen, ein richtig rares Ding. „Acht Leute kann einfach kaum jemand bezahlen“, meint Schultze lapidar, „deshalb gibt es sehr wenige solche Projekte.“ 2003 haben Oktoposse immerhin den Preis „Jazzpodium Niedersachsen“ der dortigen Landesarbeitsgemeinschaft Jazz gewonnen – ein Beleg dafür, dass die Idee durchaus ankommt.
Alle Oktoposses sind unter 30 und sehen das Problem, ihren Lebensunterhalt mit Musik bestreiten zu müssen, deshalb noch relativ gelassen. „Wir konzentrieren uns aufs gemeinsame Musizieren und darauf, dass wir unseren Sound auf die Reihe kriegen“, meint Ben Degen. „Aber wir haben uns den Beruf ausgesucht – und Geld verdienen muss man halt woanders.“
Dabei hilft, dass Oktoposse die uralte Zappa-Frage „Does humour belong in music?“ schon längst für sich beantwortet haben. „Bei uns kennt Witzigkeit keine Grenzen“, grinst Stefan Schultze. Und Matthias Knoop ergänzt: „Die Musik nehmen wir schon sehr ernst, aber das schließt ja nicht aus, dass wir Spaß zusammen haben.“