PC Energetic

Wilde Jungs

Bands mit Gitarristen als führenden Figuren hatten wir noch nicht so oft in der Next Generation. Mit Philip Czarnecki und seinem Trio PC Energetic ist nun immerhin ein gutes halbes Dutzend unter den 56 Tonträgern unserer Reihe erreicht. Zwar spielt auch dieser junge Mann wie alle anderen gelegentlich den Klassiker der Jazzgitarren, eine halbakustische Gibson-Archtop, aber sein Hauptinstrument ist die Telecaster. Und damit setzt er eine ziemlich andere Energie frei. Kündigt ja auch schon der Bandname an.

PC Energetic – Illusion (Cover)Wie ein kleiner Gruß an Jimi Hendrix klingt der Auftakt. Ein paar Sekunden lang flammt ein Riff auf, das mit Wah-Wah-Sounds und funky Grooves an „Voodoo Chile“ erinnert. Doch dann pflügt Philip Czarnecki mit seinem Trio quer durch ständig wechselnde Beats und Off-Beats, schichtet sperrige Töne über wuchtige Bassläufe, lässt die Rhythmen gegeneinander antreten, rockt das Haus mit harmonischen Spannungen – ungestüme Klanggewitter treffen auf grungige Eleganz. Auch wenn hier und da ein Lauf aus der Gitarre des virtuosen Technikers durchaus der klassischen Trickkiste eines wieselflinken Metallers entflohen zu sein scheint: Was der Wahlkölner in Noten setzt und seinem Instrument entlockt, ist weit entfernt von Bluesrock oder Metal. Dennoch stellt sich die Frage: Geht das zusammen, Headbanger und Jazzer? Aber sicher, würde PC sagen. Klingt das Trio fett? „Ja, das passt.“

Er hat in Amsterdam seinen Bachelor gemacht und 2013 den Master in Jazz-Gitarre, unter den vielen Preisen ist einer vom selben Jahr beim Kompositions-Wettbewerb des BuJazzO. „Für mein Debütalbum habe ich bis auf ein älteres Stück alles ganz gezielt komponiert: für die Band, für das Album. Alles mit dem Ziel, sehr rockigen und funky Jazz zu schreiben, mit Gitarrenriffs zu arbeiten – und eine sehr energetische Musik zu machen.“ Der Bandname PC Energetic soll das unterstreichen.

Mit acht hat PC die ersten Gehversuche auf der klassischen Gitarre unternommen, mit 14 die elektrische erkundet. Seitdem hört er alle Arten von Musik. „Punk, Rock, ich hatte auch mal eine Metallica-Phase als Teenager, Pink Floyd und Led Zeppelin, bin aber nie ein Vollblutrocker gewesen. Und ich bin auch HipHop-Fan.“ Irgendwann hat er Wes Montgomery entdeckt, „das war der erste Gitarrist, der mich in den Jazz geführt hat“, und dann war es nicht weit zu Pat Metheny und John Scofield.

„Bei Pat finde ich es schön, wie er poppige Melodien verjazzt, sie mit interessanter Rhythmik und Harmonik versetzt. So etwas mache ich in meiner Musik auch gern. Ich find es spannend, mit Gegensätzen zu spielen, für Überraschungen zu sorgen; mit Rhythmen, welche den Hörer sozusagen in die Irre führen.“

Philip CzarneckiDeshalb hat PC sein Debüt ganz programmatisch Illusion (Double Moon/New Arts Intl.) getauft, ähnlich plakativ wie manche Titel seiner Kompositionen. „Boisterous Boys“ – wilde Jungs – ist der Auftakt, „Beauty And The Beast“ spielt exakt mit musikalischen Gegensätzen, „Devil Plays Guitar“ und „Heroic“ erübrigen jede Interpretation. Und „Baja“? Weil seine Telecaster in Baja California gebaut wurde …

In den beiden anderen Teilen seines Trios hat PC echte Brüder im Geiste gefunden. Das muskulöse Spiel von Bassmann Jonathan Ihlenfeld Cuniado und Schlagzeuger Marc Ayza verstärkt die zupackende Umgangsweise des Gitarristen mit seinen Sounds. Apropos Gitarrentöne:

„Da hat mich Scofield sehr inspiriert, sein bluesiger Sound und auch das Grungemäßige. Ich spiele in der Band in erster Linie meine Telecaster, das passt gut. Sco‘ hat mich auch vom Phrasing her beeinflusst.“

Bei zwei Songs gastiert die wie der Bassist aus Barcelona stammende Sängerin Rakel Salazar, einmal mit einer Spoken-Word-Botschaft, ein anderes Mal mit einer wortlosen Melodie, welche inspiriert ist von einem Pink-Floyd-Song. Ein anderer Gast erweitert das Klangspektrum der Boisterous Boys bei einigen Stücken mit seinem Saxofon, außerdem bringt Jasper Blom eine Reihe von Effekten ins Spiel. PC selber beschränkt sich großenteils auf den grungigen Sound eines Klassikers:

„Ich bin zwar dabei, meine Effektabteilung aufzurüsten, aber oft spiele ich nur über meinen Amp, den Vox AC30. Bei den Soli kommt noch ein Extra-Verzerrer zum Einsatz, hier und da auch mal ein Delay“, erklärt der Fachmann.

John Scofield und Pat Metheny als die großen Einflüsse, Pink Floyd und Led Zeppelin, Grunge und HipHop: Dass der 26-jährige Komponist und Gitarrenvirtuose einige Ikonen zu seinen Einflüssen zählt, die schon eine Generation vor ihm begeisterten, versteht sich von selbst, sagt er. „Alter ist keine Sache, über die ich nachdenke. Entweder stimmt’s musikalisch oder es stimmt nicht.“

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Text
Uli Lemke

Veröffentlicht am unter 107, Heft, Next Generation

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