Simon Below

Abseits des Pianotrends

Wenn einem der Wind ein Lied erzählt, dann kann daraus durchaus gute Musik entstehen. Der Kölner Pianist Simon Below hat sich von den meteorologischen Kapriolen rund ums Meer zu einem erstaunlichen Debütalbum inspirieren lassen und damit auf Anhieb den Sprung auf die „Jazz thing Next Generation“-Bühne geschafft – gerade auch, weil er seinen Job am Klavier in vielerlei Hinsicht anders angeht als die Konkurrenz.

Simon Below Quartet – Wailing Wind's Stories (Cover)

Der Karriereweg vieler junger Jazzpianisten verläuft häufig nach einem seltsamen Schema. Zunächst gründen sie ein Pianotrio und klingen dort wahlweise nordisch, lyrisch, funkig, poppig, rockig oder klassisch, auf keinen Fall aber traditionell und unbedingt gleichberechtigt. Gefühlte 98 Prozent aller Kolleginnen und Kollegen von Simon Below wählen diesen Weg, obwohl sie sich damit schon fast wieder selbst den Klavierdeckel auf die Finger hauen, noch bevor überhaupt alles angefangen hat. Da gehört schon ein klein bisschen Mut dazu, das Pferd von der anderen Seite her aufzuzäumen, quasi antizyklisch an den Start zu gehen. Dass Below mit seinen 22 Jahren mit dem Quartett eine etwas seltenere, aber tief in der Jazztradition verankerte Besetzungsform wählt, hat etwas liebenswürdig Trotziges in Zeiten, da nahezu jeder das Rad neu erfinden will.

Wobei man seine Debüt-CD „Wailing Wind’s Story“ (Doublemoon/in-akustik) – die 73. Auflage der populären Casting-Reihe „Jazz thing Next Generation“ – auf keinen Fall mit altbackener Dutzendware gleichsetzen sollte. Etwaige Befürchtungen wischen er und seine kongenialen Partner Fabian Dudek (Alt- und Sopransaxofon), Yannik Tiemann (Bass) und Jan Philipp (Drums) schon nach wenigen Takten des Openers „Makada“ selbstbewusst vom Tisch. Mit ihrem modernen, erstaunlich reifen und durchaus individuellen Bandsound ergattern sich die vier auf Anhieb einen Platz im Kanon der interessantesten jungen deutschen Formationen der Gegenwart.

„Wir haben sehr viel Zuspruch für diese Besetzung bekommen“, erzählt Below. „Warum soll man etwas Gutes einfach über den Haufen werfen, nur um aufzufallen?“

Gute Frage. In erster Linie geht es für den Pianisten um Ausdruck, eine lebendige Erzählstruktur sowie die intuitive Architektur einer musikalischen Vision. „Wailing Winds Story“ setzt all diese Ziele auf verblüffend selbstverständliche Weise in ein markantes, persönliches Statement um.

Simon Below Quartet

Es sind acht entweder sanft dahingleitende oder wahlweise machtvoll bewegte Titel. Deren Inspirationsquelle erkannte Simon Below erst nach dem Komponieren:

„Ich liebe das Meer, diese ganz besondere Stimmung mit dem wolkenverhangenen Himmel und den leicht kühlen, aber nie unangenehmen Temperaturen. Außerdem haben das Säuseln des Windes und das Spiel der Wellen einen völlig eigenen Sound. Man kann ihn hören.“

Die Nähe zum Wasser spielte für den Studenten an der Hochschule für Musik und Tanz (HfMT) in Köln schon immer eine elementare Rolle. Geboren in Xanten, wo er früh am Klavier saß und im Alter von zwölf Jahren bei Tae-Sung Chung an der Dom-Musikschule zum ersten Mal mit Jazz in Berührung kam, zog es ihn 2014 rund 100 Kilometer rheinaufwärts. Dort studiert Below seither bei Hendrik Soll und Hubert Nuss.

„Meine Dozenten ermutigen mich, ganz bewusst jemanden zu kopieren. Weil jeder andere Voraussetzungen mitbringt, kommt am Schluss sowieso etwas ganz Eigenes heraus. Von Bill Evans, den ich sehr verehre, habe ich aus seiner Fernsehserie ‚Universal Mind‘ den Satz verinnerlicht, dass man sogar beim Üben immer ehrlich zu sich selbst sein sollte. Im Prinzip gibt es keinen Unterschied zwischen Üben und Konzert.“

Für die Juroren von „Jugend Jazzt NRW“ muss das Resultat dieser nicht unbedingt altersgemäßen Konsequenz so überzeugend gewesen sein, dass sie Simon gleich dreimal den ersten Preis zuerkannten. 2017 holte er sich außerdem den „Steinway Förderpreis NRW“ und zusammen mit seinem seit 2016 bestehenden Quartett aus Kommilitonen von der HfMT im vergangenen Jahr das „Werner Richard-Carl Dörken-Stipendium“. Das Zusammenspiel mit Dudek, Tiemann und Philipp nennt Below generell einen Glücksfall. Es habe eine Zeit lang gedauert, diese besondere Mischung zu finden, „denn Musik machen, das ist wie eine Unterhaltung führen. Wenn man sich nichts zu sagen hat, dann klappt es auch nicht.“

Eigentlich hätte der junge Mann auch als Schlagzeuger in jeden Gesprächskreis eintreten können. Aus Bongos und den Ständern eines Globus baute sich Klein Simon einst ein Drumset und trommelte nach Herzenslust darauf herum, „weil ich Rhythmus über alles liebe“. Dass er sich dann doch für das Elfenbein entschied, lag vor allem an seiner überbordenden Sehnsucht nach Melodien. Trotz all der Hürden und Klischees definitiv die richtige Entscheidung.

Text
Reinhard Köchl

Veröffentlicht am unter 124, Heft, Next Generation

Deutscher Jazzpreis 2025