Stefan Schmid

Gut Holz

Jazz thing Next Generation Vol. 42

Köln. Wieder einmal sind wir in der Domstadt, und zwar so richtig mittendrin in der Jazzszene. Zu verdanken ist das dem jungen Komponisten, Saxofonisten und Kölner Stefan Schmid, der für seine Band exTENded lauter hervorragende Bewohner der Metropole zusammentrommelte; nur der Gitarrist lebt nicht in der Domstadt. Dass der neue Mann der „Jazz thing Next Generation“ in seinem Team auch ein paar Musiker um sich geschart hat, die wie er in unserer Reihe debütierten, ist da kein Wunder.

Stefan Schmid - exTENded

Als er sein Jahr in New York mit allen Sinnen auskostete, hängte Stefan Schmid den zweiten Vornamen Karl in die Öffentlichtkeit und verstaute flugs zwei Adressen in der Pressemappe, eine drüben, eine in Köln. In Amerika hat jeder einen zweiten Vornamen. „Ich wurde vollgestopft mit Inspirationen. Ständig auf Konzerten, unglaublich viel Unterricht an der Manhattan School of Music, ich habe das ganze Programm absolviert, ein ganz tolles, strenges und ausgiebiges.“ Kurz vor seiner Abreise hatte er das Kompositionsstudium in Köln abgeschlossen; das musikalische Ergebnis kann sich nun als Nummer 42 der JTNG-Reihe hören lassen. Stefan ist wieder zurück.

Stefan Schmid ist Sohn eines Deutschen und einer Isländerin, er listet in seinem Curriculum außerhalb des Musikalischen nur eine andere Besonderheit: Bis 2002 war er im Kader des Deutschen Leichtathletikverbandes aktiv, ein Weitspringer mit veritablen Erfolgen. Im Jahr darauf gelang ihm der Sieg in einer anderen Disziplin: Beim „Jugend Jazzt“-Wettbewerb landete er locker auf der Eins. Andere Auszeichnungen folgten; viele Begegnungen mit den unterschiedlichsten Musikern, darunter Maceo Parker, Till Brönner, Theo Bleckmann oder Joe Lovano stehen heute in Stefans Tagebuch.

Stefan SchmidDen musikalischen Dreisprung betätigt er nun mit seinem Debüt unter eigenem Namen – Schmid hat bereits auf etlichen Alben von Kollegen und Bands, in denen er spielt, mitgewirkt – mit seinem Projekt exTENded. So lautet auch der Titel des Albums. Das zehnköpfige Ensemble spielt ausschließlich Kompositionen des kürzlich 28 Jahre alt gewordenen Musikers; den sieben Bläsern stärken der preisgekrönte Bassist Robert Landfermann und Shreefpunk-Drummer Jens Düppe den Rücken, Max Frankls Gitarre bringt eigene Farben in das kraftstrotzende Ensemble.

„Ich habe die Stücke für mein Abschlusskonzert des Masterstudiums geschrieben. Mein damaliger Lehrer Frank Reinshagen hatte mir vorgeschlagen, etwas für eine mittelgroße Besetzung zu komponieren. Das Ergebnis wurde dann auch aufgeführt“; neben Schmid waren die Blasinstrumente von Niels Klein, Malte Dürrschnabel, Max von Einem, Frederik Köster, Christoph Moschberger und Tobias Wember zu vernehmen. „Da es ja nicht einfach ist, so viele Musiker auf einem Fleck zu versammeln und zeitlich unter einen Hut zu bringen, dachte ich, ich nutze die Chance direkt, gehe mit der Band ins Studio und nehme das ganze Programm auf.“

Zitat: „Ich versuche am Tenor aber nicht, dem Breckersound der 80er nachzugehen, sondern möchte eher in Richtung Fagott oder Klarinette klingen. Wirklich wie ein Holzblasinstrument.“

Gut gemacht, denn nun lässt sich hören, dass Studienresultate alles andere als dröge sein können. Gleich zu Beginn schrägt das Tentett durch markante Riffs, die dermaßen kompakt grooven und virtuos mit rhythmischen Kontrastierungen verfahren, dass die hier servierte Visitenkarte Stefan Schmids schwer beeindruckt. Dafür braucht es aber auch die richtigen Ausführenden: Ein Muster an Disziplin ist dieser Klangkörper, zugleich ein junger Haufen, der mit der Eröffnung sein souveränes Hoppla, hier sind wir, abgibt. Doch im weiteren Verlauf erweist sich der Architekt dieser urbanen Coolness auch als ein Lyriker, ein Liebhaber eleganter Melodien, von denen einige mitunter fast meditativ wirken. So etwa ein Stück, das Stefan dem New Yorker Saxofonisten Walt Weiskopf gewidmet hat. Stefan mag „Melodien mit Soul, greifbare, tonale Dinge. Melodien, welche die Farben in den Akkorden suchen.“ Das siebenminütige „Behind The Scenes“ entspricht mit seiner nahezu sanften Thematik dieser Beschreibung; ein Basssolo von Landfermann, Wembers Improvisation an der Posaune und Stefans Saxofon im Ausklang unterstreichen die Wirkung.

„Weil die Band aus herausragenden Einzelspielern besteht, die alle ihre eigenen Stimmen haben, eigene Projekte national oder international betreiben und weil ich jeden Einzelnen als Musiker und Mensch mag, war es mir wichtig, dass jeder solieren kann.“

Die Beiträge der Beteiligten beeindrucken durch die Bank, Niels Kleins poetisches Solo auf der Bassklarinette etwa, eins von Stefan am Sopransax oder ein Drum- und Bassduett der Rhythmuscrew. Das Fundament liegt in den Kompositionen des Bandleaders, der an manchen Stücken lange gearbeitet hat.

„Was beim Schreiben viel bringt, ist das Lesen von Partituren anderer Musiker. Man entdeckt dabei handwerkliche Mittel, aus denen man lernt. Ich habe mich viel mit Maria Schneider beschäftigt. Ihre Musik fasziniert mich sehr und kompositorisch inspiriert mich auch Nils Wogram.“

Stefans Lieblingsintrument ist das Tenorsaxofon, neben dem er auch Sopransax, Klarinette und Flöte spielt.

„Ich versuche am Tenor aber nicht, dem Breckersound der 80er nachzugehen, sondern möchte eher in Richtung Fagott oder Klarinette klingen. Wirklich wie ein Holzblasinstrument.“

Dafür hat er die passende Musik erfunden, demnächst mit exTENded auch live in Burghausen zu erleben. Auch die JTNG-Buddies vom Tobias Meinhart Quartett und die lyrische Defne Sahin sind dort präsent.

Text
Uli Lemke

Veröffentlicht am unter 93, Heft, Next Generation

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