Tim Allhoff Trio – Prelude
Der 31. Tonträger in der JTNG-Reihe und erst das fünfte Klaviertrio? Das muss dann etwas Besonderes sein, da doch die Königsdisziplin seit e.s.t. bis zum Rand vollgestopft ist mit hoffnungsvollen Talenten, die ihre Entdeckung herbeisehnen. Mit dem Tim Allhoff Trio stellt sich nun ein Debüt vor, auf dem romantische Bekenntnisse, melancholische Brüchigkeiten und rasant tanzende Momente für eine Sorte Spannung sorgen, die Aufmerksamkeit verdient.
Seit einem halben Jahr ist Tim Allhoff als musikalischer Leiter am Theater Ingolstadt engagiert. Da hat er bereits verschiedene Premieren vorbereitet, Musik arrangiert und geschrieben. Vor allem die Blues Brothers haben damals seinen Einstand am Theater begleitet, als Erstaufführung des Musicals im Großen Haus. Da wurde wochenlang geprobt, zehn, zwölf Stunden, bis dieser Klassiker zu 100 Prozent saß und die Premiere gefeiert werden konnte.
Für die Töne, die Tim Allhoff mit seinem Trio produziert, sind allerdings ganz andere Einflüsse zu nennen. Ob er eigene Werke mit seinem Drummer Bastian Jütte und dem Kontrabassspieler Andreas Kurz interpretiert – beide dürften aufmerksamen Beobachtern der JTNG-Reihe nicht unbekannt sein – oder ob das Trio Jazz-Standards erkundet: Dass Allhoff mit Klassik und Jazz aufgewachsen ist und dass er in seiner Biografie die melodische Spielweise eines Bill Evans bis hin zu Brad Mehldau zwangsläufig nicht ignorieren kann und mag, ist unüberhörbar. Doch Allhoff verfolgt von da aus seinen eigenen Weg. Der Vater war ein professioneller Pianist, daheim gab es eine fein sortierte Plattensammlung und ein Klavier stand einladend im Raum.
„Die klassische Beziehung Vater/Musiker – Sohn/Musiker war es aber nicht. Ich habe das meiste durchs Ausprobieren gelernt. Auf dem musischen Gymnasium in Augsburg musste man natürlich Noten lernen, klassische Musik, vor allem Bach war allgegenwärtig. Als Zwölfjähriger ist man da nicht gerade begeistert. Später habe ich dann allerdings gemerkt, wie viel ich über die Beschäftigung mit Bach gelernt habe. Aber das Ausprobieren von Harmonien, Spielen nach Gehör zu den Jazzplatten, das war mir damals immer lieber.“
Das Ausprobieren ist geblieben. Wenn Allhoff komponiert, stehen die Harmonien im Vordergrund, die Melodie kommt später.
„Es ist meistens das harmonische Gerüst, das zuerst steht. Wenn ich harmonische Wendungen finde, die mich reizen, taste ich nach der passenden Melodie.“
Die Impressionisten haben auch ihren Platz in Tim Allhoffs Entwicklungsgeschichte, Debussy, Fauré und Ravel haben ihn während der Jugend sehr begeistert und beeinflusst. Er erinnert sich, als Kind erste Jazzerfahrungen hauptsächlich mit den Big Bands aus der väterlichen Plattensammlung gemacht zu haben. Mit Popmusik hatte der Jugendliche wenig am Hut, hin und wieder mal den einen oder anderen Hit, ansonsten Jazz. „Ich wollte immer Jazzpianist werden.“
Einer von den wenigen Hits, mit 16 gehört, für gut befunden und dann lange vergessen, war „Don’t Speak“ von der kalifornischen Band No Doubt. Den hat Tim Allhoff Jahre später wiedergefunden und für sein Trio arrangiert. Auf „Prelude“, seinem Album in der JTNG-Reihe, ist „Don’t Speak“ neben zwei Standards die einzige Fremdkomposition.
„Ich habe ihn zufällig ein paar Monate vor unserem Aufnahmetermin bei einer Autofahrt gehört und mir war gleich klar: Ich muss etwas damit machen. Beim Schreiben stand von vornherein fest, dass der Bass die Melodie übernimmt.“
Die meisten Eigenkompositionen des Albums hat der Augsburger während seiner Zeit als Pianist im exklusiven Schloss Elmau geschrieben oder skizziert. „Elmau war eine ganz wichtige Station in meiner bisherigen Laufbahn.“ Die Einladung ins Schloss kam, wie ein paar Jahre später auch die Stelle als musikalischer Leiter am Theater oder momentan die Arbeit am Soundtrack eines Kinofilms, klischeemäßig:
„Wenn ich gerade mit nichts rechne und einfach loslasse, passiert meist etwas Besonderes, Unerwartetes. Damals war das der Anruf aus Elmau. Oha, zunächst dachte ich an einen Hoteljob, wo der Klavierspieler nur im Hintergrund herumklimpert, Girl-from-Ipanema-mäßig. Doch das war schnell geklärt. Elmau hat mich total in seinen Bann gezogen. Und ich hatte das Glück, hier viele inspirierende Menschen kennenzulernen. Dieter Ilg, Brad Mehldau oder Thomas Quasthoff zum Beispiel.“
Fast zwei Jahre lang hat er immer wieder dort gespielt, in der Kaminbar, wo die Leute ihm zugehört haben. Die inspirierende Atmosphäre hat für eine Menge Solo-Kompositionen gesorgt, einige hat er als „Elmau Lieder“ auf seine Website gestellt, ein paar hat er im Radio präsentiert, wo die Moderatorin ihn als virtuosen Melancholiker vorstellte. Virtuos ja, melancholisch zuweilen. „Virtuosität wird nur eingesetzt, wo es die Musik erfordert“, meint Volker Dueck, auf dessen Label Double Moon (Sunny Moon) die JTNG-Reihe erscheint. „Ihm geht es nie um ein pures ‚Höher-schneller-weiter‘.“
Für „Prelude“ haben die Stücke eine neue Form angenommen. Einige Kompositionen hatte Allhoff bereits in Elmau als Werke für ein Trio konzipiert, andere wurden dies später, wie der Opener des Albums.
„Ich hatte ‚Winzigwinzigklein‘ zufällig bei den Proben dabei. Andi nahm sich die Basstöne vor, Basti groovte auf den Akkorden – und dann kam der Song. Was Bastian da spielte, das hatte ich so nicht im Ohr gehabt. Aber es passte super. Ich habe das Glück, mit zwei Leuten arbeiten zu können, die meine Kompositionen so angehen, wie ich sie fühle, und alles sehr schnell umsetzen können.“