Yara Linss

Poesie in Bossa

Brasilien. Wer hätte es gedacht: Nach 59 Alben in der Jazz Thing Next Generation ist unsere Reihe immer noch für eine Premiere gut. Yara Linss lebt in Bayern, aber die musikalische Heimat liegt in dem Land ihrer Geburt, in Brasilien. Die junge Sängerin kleidet zeitlos schöne Lyrik in ganz eigene charmante Noten, ihre Songs und auch mal ein Klassiker der Bossa nova lassen Sehnsüchte aufkommen. Das gehört dazu, findet Yara Linss.

Yara Linss – Samambaya (Cover)

„Das Rhythmische, die Leichtigkeit, das Verspielte – und die Sehnsucht, in der man badet, das macht die brasilianische Musik so besonders“, sagt Yara Linss. „Für uns hierzulande hat Sehnsucht einen anderen Charakter und Stellenwert als in Brasilien. Dort werden Sehnsucht und Melancholie ganz groß gelebt, in einem positiven Sinn. Brasilianer können ganz wunderbar leiden. Nicht dass ich leiden will“, lacht die Sängerin, die mit vier Jahren mit ihren Eltern aus São Paulo weg und nach Deutschland zog.

Vom Geigenspiel über die Ulmer Spatzen bis zu den „großen Jazzladys, Ella und Billie“ ging ihr Weg, sie hat klassischen Gesang studiert, aber immer war da auch der brasilianisch gefüllte Plattenschrank der Mutter. „So bin ich zur Bossa nova gekommen, wo viele Schnittstellen zum Jazz liegen.“

Yara Linss studierte Jazz in Maastricht, wechselte nach Nürnberg, wo sie 2007 erstmals vor einem großen Publikum sang – als Vertretung für die erkrankte Maria João. Ausgezeichnet mit einem Preis für Jazzkomposition und dem 1. Preis beim bayerischen Creole-Wettbewerb, ließ sie sich für ihre Kompositionen von so unterschiedlichen Lyrikern wie James Joyce oder Emily Dickinson inspirieren und auch für ihr jetzt veröffentlichtes Album „Samambaia“ (Double Moon/New Arts Intl.) greift die 35-Jährige mit ihrem sternenklaren Sopran zuweilen Gedichte auf.

„Ich bin keine Lyrikerin. Da ist es ein schönes Gefühl zu wissen: Hier ist ein Text, der fertig ist. Der ist wunderbar, so wie er ist. Und ich kann damit umgehen, ich kann ihn singen lassen.“

Der Titelsong beruht auf einer kleinen Liebeserklärung der brasilianischen Lyrikerin Maria Lúcia dal Farra an eine nicht seltene Pflanze:

„Allein schon dieses Wort Samambaia fand ich wunderschön. Das Gedicht gefiel mir so sehr, dass ich Kontakt zur Urheberin aufnahm. Samambaia, das ist der Farn, hat in brasilianischen Haushalten eine besondere Bedeutung, so eine Art Schutzpatron für das Heim.“

Yara Linss

Nebenbei bemerkt Yara Linss, dass man dieses Wort in Deutschland auch problemlos „richtig“ aussprechen kann, daran müsse man ja auch denken, wenn man eine brasilianisch gefärbte Platte veröffentlicht. Im Textheft zum Album hat sie kleine Inhaltsangaben ihrer Songs abdrucken lassen und den Titelsong komplett, in der englischen Übersetzung und im Original, dem weichen Samt des brasilianischen Portugiesisch. So lässt sich auch lesend miterleben, wie Yara Linss aus einem filigranen Poem ein zauberhaft federleichtes Klangbild entwirft. Und passend dazu lässt die Protagonistin des Samambaia sich auf dem Cover ihres Albums vom grünen Farn umranken.

Yara Linss hat „Samambaia“ mit drei Musikern erarbeitet und aufgenommen, deren Wurzeln allesamt in Brasilien liegen.

„Genau, 100 Prozent waschechte Brasilianer“, lacht sie. „Als ich erfuhr, dass João Luis Nogueira nach Deutschland kam, um in Essen zu studieren, habe ich ihn gleich angeschrieben. Er ist der Neffe von Zélia. João war sofort dabei und über ihn ist der Kontakt zu den beiden anderen entstanden.“

Mit dem Gitarristen und Cavaquinho-Spieler Nogueira, der auch als Songschreiber mit von der Partie ist, und dem Kontrabassisten André de Cayres sowie dem vielseitigen Istrumentalisten Márcio Tubino (Perkussion, Flöten, Saxofone) hat die Sängerin ein Quartett gefunden, dessen einzelne Glieder aus Orten stammen wie São Paulo, Santa Maria und Belo Horizonte. Hierzulande ist die Band etwas näher gerückt: Essen, Köln, München und Fürth. Nein, so ganz nah beieinander wohnt man zwar nicht, aber wenn das Quartett sich trifft, wird es umso intensiver, erklärt Yara Linss.

„Ich komme beim Komponieren durchaus soweit, dass ich mir Gedanken über Formbestandteile und Instrumentierung mache. Wo nur Gesang und Bassbegleitung hingehört etwa oder bei welchem Stück ich das Cavaquinho haben will. Aber im Endeffekt entwickelt sich alles weiter, wenn wir vier zusammen spielen.“ Einen weiteren Helfer möchte sie nicht unerwähnt lassen: „Unser Produzent Walter Quintus. Der war an der Gestaltung der Songs auch sehr beteiligt.“

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Text
Uli Lemke

Veröffentlicht am unter 111, Heft, Next Generation

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