Barney Wilen
Moshi Too
(Sonorama/Groove Attack)
Ende der 1960er-Jahre, als Europa politisch in der Hand der Studentenrevolte war und Free Jazz musikalisch die Szenerie bestimmte, suchte der amerikanisch-französische Saxofonist Barney Wilen sein Heil in der Fusion von Jazz und nichtwestlicher, ethnischer Musik – anfangs war Indien in seinem Fokus, später dann Afrika. Mit einer Gruppe aus Künstlern, Musikern und Journalisten machte sich der 1937 geborene Wilen in einem buntbemalten Landrover auf den Weg nach Zentralafrika, begleitet von seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Caroline de Bendern. Zwei Jahre sollte die Reise dauern, Dokumentarfilme sollten gedreht und „Fieldrecordings“ vor Ort gemacht werden. Einen fertig gedrehten Film gab es nicht, als die ungewöhnliche „Forschungstruppe“ 1970 nach Frankreich zurückkehrte. Aber im Gepäck hatte man rund 50 Tonbänder mit Musikaufnahmen. Auch wenn 1973 mit dem Album „Moshi“ ein Auszug daraus erschienen ist, so blieb das Gros der Tonbänder ungesichtet und ungehört – bis zum Tod von Wilen 1996. Dessen Sohn Patrick hat nun den Nachlass seines Vaters gesichtet und zur Veröffentlichung freigegeben. „Moshi Too“ ist ein spannendes Dokument: Ähnlich aufgebaut wie das 73er-Album mit kurzen Originalaufnahmen einheimischer Musiker und Sessions, die Wilen in Afrika gespielt hatte, zeigen die 14 Tracks, wie weit der Saxofonist schon damals auf ein Terrain vorgestoßen ist, das gut 15 Jahre später dem Label „Word Music“ angehaftet wird. Einerseits folgt „Moshi Too“ dem Zeitgeist der 1960er, mit einem unbedarften „Anything goes“ und einer Naivität im Umgang mit der ethnischen Musik Afrikas. Andererseits klingt diese Fusion auch aus heutiger Perspektive immer noch aufregend spektakulär und geradezu revolutionär – vor allem, weil sich Wilen mit seinem fleischigen, rauen Ton auf dem Tenorsaxofon, mit dem er tief in der Jazztradition steckt, so gar nicht auf die Spielkultur seiner afrikanischen Musiker einließ.