Bill Frisell
Music Is
(OKeh/Sony)
PRO
Seit 1983 hat Bill Frisell mehrere Platten als Leader veröffentlicht, sein Faible für solistische Experimente ist jedoch nur auf einem Album festgehalten. Umso schöner ist es, dass der Gitarrist 18 Jahre nach „Ghost Town“ wieder als Forscher in Erscheinung tritt, der allein mit seinem Instrumentarium alte und neue Melodien auf ihre Substanz hin erkundet. Wie gewohnt begibt er sich dabei auf Spurensuche zu den Wurzeln amerikanischer Musik und greift auch immer gern abgedroschene Klischees auf, spielt mit ihnen, ironisiert sie oder kniet vor ihnen nieder und erfindet nebenher Neues. Dass Frisell dieses zweite Soloalbum seiner Laufbahn nicht nur mit bisher unbekannten Titeln bestückt hat, sondern seine eigene Diskografie fleddert, indem er Stücke von „Rambler“ (1985) bis in die letzten Jahre seiner Veröffentlichungsflut neu interpretiert, macht die Angelegenheit zum Vergnügen. Vergleichen Sie mal.
Uli Lemke
KONTRA
Immer wieder ist es schmerzlich, wenn Musiker sich in der eigenen Falle fangen. Bill Frisell verfügt über ein derart weit gestecktes Repertoire, dass ihm das eigentlich nicht passieren sollte. Auf seinem Soloalbum träumt er sich jedoch redundant durch sein Gesamtwerk. Er klingt dabei wie ein Jazzstudent, der verschämt hinter das Geheimnis von Bill Frisell dringen will. Alles, was er hier zum Besten gibt, hat er schon so und viel besser gesagt. Sehnsüchtig denkt man an Zeiten zurück, in denen er mit Witz und Verve die Filme von Buster Keaton unterlegte, mit den Power Tools oder im Duo mit Vernon Reid Wände aus Beton einriss oder auf Arild Andersons „Molde Concert“ eines der mitreißendsten Gitarrensoli aller Zeiten erklingen ließ. Auf „Music Is“ setzt er leider den Trend fort, der sich bereits auf „When You Wish Upon A Star“ andeutete: nämlich das langsame Schwinden der Inspiration.
Wolf Kampmann