Charles Lloyd New Quartet
Passin' Thru
(Blue Note/Universal)
PRO
Seit seinem Wechsel zu Blue Note veröffentlichte Charles Lloyd gleich zwei Live-Alben. Wenn der Saxofonist nun proklamiert, dass die Energie einer Live-Aufnahme nur selten im Studio reproduziert werden könne, so lässt sich dies auch als Statement zu seiner persönlichen „Befreiung“ interpretieren. Der Unterschied vom domestizierten zum losgelassenen Lloyd ist allenfalls marginal. „Passin‘ Thru“ präsentiert seine frühere Formation mit Jason Moran, Reuben Rodgers und Eric Harland. Sie reanimiert ältere Songs aus der Flower-Power-Ära wie den Klassiker „Dream Weaver“ und es gibt jede Menge fesselnder, emotionaler Augenblicke wie bei den meisten Lloyd-Konzerten. Nichts Neues, aber ein bewährtes Rezept, grandios verfeinert. Eine Momentaufnahme, in der eine Legende von bald 80 Jahren wehmütig-trotzig auf die Vergangenheit zurückblickt.
Reinhard Köchl
KONTRA
Wahrscheinlich ist es die falsche Band. Charles Lloyd, im Laufe seiner Karriere selbst in freien Phasen immer konkret im Umgang mit dem musikalischen Material, umgibt sich mit Musikern, denen Abstraktion ein Vergnügen ist. Pianist Jason Moran, am Anfang seiner Arbeit mit Lloyd noch devot, weil sich des Erfahrungsschatzes des alten Herrn bewusst, gehört inzwischen zu den produktivsten Skeptikern der amerikanischen Jazztradition. Reuben Rogers fühlt sich mit jugendlicher Offenheit ganz wohl und Drummer Eric Harland ist der pointierteste Polyrhythmiker seiner Generation. Man merkt in der Kommunikation und der kollektiven Energie, dass sie sich zurückhalten, um den Meister in seiner Spiritualität nicht zu stören. So konturlos wie der Sound der Live-Aufnahmen, so nichtssagend wird dadurch die Musik, die ebenso höflich wie beliebig den Bandleader feiert.
Ralf Dombrowski