Charles Lloyd & The Marvels
Tone Poem
(Blue Note/Universal)
„Tone Poem“ – Tongedicht. Die naheliegende Übersetzung ist: Song. Songs sind Programm auf „Tone Poem“, der jüngsten Veröffentlichung von Charles Lloyd, der mit seinem Saxofon schon damals, in den hippieseligen 1960er-Jahren, eine führende Kraft bei der Aussöhnung komplexere Improvisationsverfahren mit der Formensprache populärerer Musik war. Mit seinem Songprojekt The Marvels, der Band mit dem Lapsteel-Gitarristen Greg Leisz sowie Bill Frisell an der Gitarre und dem bewährten Gespann mit dem Bassisten Reuben Rogers und Eric Harland am Schlagzeug, sind von Lloyd, dem alten Melomanen, zehn Songs von Komponisten wie Ornette Coleman, Thelonious Monk, Leonard Cohen oder Lloyd selbst, die die Marvels zwischen November 2013 und Juli 2018 eingespielt haben, das Tonmaterial, das die Marvels zu ihren „Tone Poem“ montieren. Songs als die Quersumme aus Melodie, Rhythmus, Harmonie und einer einfachen Struktur. Je einfacher, desto besser; denn je einfacher, desto größer die Freiheit in der Ausgestaltung der emotionalen Schichten der Songs. Kein Song ohne Text, auch wenn der nicht immer ausformuliert und auf „Tone Poem“ sowieso nicht gesungen wird. Doch der Text, die Geschichte ist das, was das einfärbt, was gespielt wird. Manchmal, auch das zeigt „Tone Poem“, ist das Spiel mit klaren Erwartungen und unausgesprochenen Auflösungen auch ein heikles Spiel und vom Abrutschen über die Kitschklippe bedroht.