Daniel Herskedal
Call For Winter
(Edition Records/Membran)
In Norwegen gibt es noch richtige Winter, doch selbst dort ist die kalte Jahreszeit auf dem Rückzug. Der norwegische Tubist und Basstrompeter Daniel Herskedal sehnt sich so sehr nach dem Winter, dass er ein Stück Programmmusik in bester Tradition des ausgehenden 19. Jahrhunderts eingespielt hat. Dabei bedient er sich allerdings absolut zeitgenössischer Mittel. In völliger Einsamkeit loopt er sich zum Orchester, um in einem beeindruckenden Klangfilm mit verschiedenen Abstufungen von Weiß im tiefsten Schnee zu versinken. Er malt die Kälte und erzeugt damit menschliche Wärme. Die nostalgiebesessene Schönheit seiner Klänge erinnert an die größten Momente von Richard Strauss. Herskedal legt den Mut zur bedingungslosen Verinnerlichung an den Tag und geht das Risiko ein, mit seinen Intentionen alle Grenzen des Kitsches zu übersteigen. Sei’s drum, Kitsch ist sowieso nur eine Kategorie der Willkür. Wer bei diesen sich überaus langsam entwickelnden Klangmetamorphosen aus purem Schnee selbst am heißesten Sommertag nicht sofort den Impuls verspürt, die Ski anzulegen, ist selbst schuld.