Don Cherry
Live In Stockholm
(Caprice/Naxos)
In den 1960ern träumte Schweden den Traum der offenen Gesellschaft. Olof Palme war Kultusminister, Experimente wurden nicht nur toleriert, sondern gefördert. Dazu gehörten auch Workshops und Konzerte des Arbetarnas Bildningsförbund, kurz ABF, eines Arbeiterbildungsvereins, für den der Wahlschwede, Trompeter und Klangglobalist Don Cherry als Leiter mehrerer Veranstaltungen fungierte. Der Effekt dieser Kurse war immens, wie das Konzert beim ABF im September 1968 dokumentiert, das zusammen mit einem Mitschnitt aus dem Stockholmer Museum of Modern Art von 1971 unter dem Titel „Live In Stockholm“ zu hören ist. Hier kontakten die Kulturen in Gestalt von Cherry, dem türkischen Trompeter Maffy Falay, der Saxofonisten Bernt Rosengren, Tommy Koverhult, dem Bassisten Torbjörn Hultcrantz und den Schlagzeugern Leif Wennerström und Okay Temiz. Die Musik pendelt zwischen freien Assoziationen und ostinaten Passagen, zwischen Stilutopien der großen Verschmelzung und realen Grenzen der gestalterischen Machbarkeit, die vor allem bei den rhythmischen Mustern an ihre Grenzen kommen. Aber darum geht es nicht. Diese übrigens klanglich angenehm präsent gemischten Aufnahmen vermitteln mehr Aufbruch, mehr Perspektive, mehr Ernsthaftigkeit als manches perfekte Produkt. Darum ging es Cherry, und das spürt man auch noch nach Jahren.