Garbarek / Gismonti / Haden
Magico: Carta De Amor
(ECM/Universal)
Viele rätselten nach der sensationellen Veröffentlichung des Geniestreiches der Herren Jarrett, Garbarek, Danielsson und Christensen, warum derartige Meilensteine aus dem ECM-Archiv erst jetzt ans Tageslicht kommen. Kaum ist die Welle der hymnischen Reaktionen auf den „Sleeper“-Coup abgeebbt, da taucht der nächste Diamant aus der Gräfelfinger Wunderkammer auf: eine Liveaufnahme von Jan Garbarek, Egberto Gismonti und Charlie Haden vom April 1981 aus dem Münchner Amerika Haus, jener Location, in der ECM von den frühen 1970er bis in die 80er regelmäßig Künstler präsentierte. Am Karolinenplatz entstanden Meilensteine wie Ralph Towners „Solo Concert“ (1979) oder „Urban Bushmen“ vom Art Ensemble Of Chicago (1980). Auch der Mitschnitt eines Solosets von Gismonti just aus jenem April 1981 fand auf dessen Album „Sanfona“ Platz. Doch mit der „Carta De Amor“ (Liebesbrief), einem Fanal an makelloser Schönheit, organischer Interaktion und unablässiger Spannung, lässt sich keine dieser Scheiben vergleichen. Nach zwei Jahren „on the road“ absorbierten die drei jedes Quäntchen Energie, Fantasie und Spielfreude voneinander, zelebrierten die Kunst des Hörens und reagierten auf jeden Fingerzeig. Oft genügten zwei beseelte Noten, um sich in ein neues Klanguniversum forttragen zu lassen. Die Themen mögen südamerikanischen („Cego Aderaldo“), skandinavischen („Spor“) oder amerikanischen („All That Is Beautiful“) Ursprungs sein. Im Strudel des norwegischen Saxofonisten Garbarek, des brasilianischen Gitarristen und Pianisten Gismonti und des US-Bassisten Haden entstand eine unverkrampfte, völlig schlüssige Lesart des globalen Jazz, noch weit bevor der Terminus „Weltmusik“ zum Schubladenbegriff geriet. „Carta De Amor“ sei eine Flaschenpost, die lange gebraucht habe, um den Strand zu erreichen, sagt Egberto Gismonti. Wie viele davon schwimmen noch im Meer herum?