Holger Czukay
Cinema
(Grönland/Rough Trade)
Holger Czukay zählte bis zu seinem Tod im September 2017 ohne Frage zu den herausragenden deutschen Musikerfiguren, deren Wirken weit über ihren topografischen Radius oder ihre Epoche hinausreichen. Der Stockhausen-Schüler hat nicht nur über alle Genres hinaus einen unverwechselbaren Beitrag zur Musik geleistet, sondern unser Zeitempfinden ebenso nachhaltig verändert wie unsere Weltwahrnehmung. In seiner Spitzweghaftigkeit schien er aus der Zeit gefallen, aber er war ein Visionär, der unbeirrt seinen Weg beschritt. Die Box setzt 1960 mit dem Holger Schüring Quintett an, dessen an Lennie Tristano erinnernde Nüchternheit noch nichts mit Czukays späteren Erkundungen gemein hat. Darüber hinaus umfasst sie eine gute Auswahl bekannter Songs seiner Soloalben, auf denen er vorbehaltlos die Klänge des ganzen Planeten mit einem Kurzwellenempfänger einfing und dabei die Sample-Ästhetik des HipHop vorwegnahm, wie auch Kollaborationen mit Jah Wobble und Brian Eno, bis hin zu den technoiden Exkursen mit seiner Lebenspartnerin U-She. Auf fünf CDs und einer DVD werden die Lebensstationen eines Mannes gebündelt, der dicht am Genie die ganze Welt für sich neu erfinden musste, weil sie ihm andernfalls viel zu banal war.