Holly Cole
Dark Moon
(Rumpus Room/Universal)
PRO
Neue Alben von Holly Cole sind ein bisschen wie seltene Himmelsereignisse. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb die Sängerin ihre erste Einspielung mit neuem Material seit 2018 dem Mond und der Sehnsucht gewidmet hat. Cole interpretiert dabei aber nicht nur erwartbare pcrPaula RösnerKlassiker wie „Moon River“ oder „No Moon At All“ auf ihre eigene minimalistisch-unsentimentale Art. Die Kanadierin zaubert auch eine ganze Reihe an vergessenen Songs aus dem Nachttischschränkchen, denen sie unter anderem mit Kevin Breits Americana-erprobter Gitarrenarbeit einen gehörigen Touch von Nashville und frühem Rock ’n’ Roll verleiht: etwa Peggy Lees „Johnny Guitar“, Mischa Spolianskys „Where Flamingoes Fly“ oder Burt Bacharachs „Message To Michael“. Coles Gespür für Lieder, die perfekt zu ihr passen, ist nun mal so beständig wie der Mond.
Josef Engels
KONTRA
Holly Cole hat ihre Stimme schon oft wie eine Monumentalstatue zum Einsatz gebracht. Auf „Dark Moon“ schafft sie mit Gil Evans‘ „Where Flamingos Fly“ auch einen starken Einstieg. Doch dann hangelt sie sich in schmaler Besetzung von einen Standard zum nächsten und stülpt ihnen so viel nostalgisches Flair wie möglich über. Die zu dicke Patina blättert schnell ab. Was darunter übrig bleibt, ist ein großes Fragezeichen. Dagegen wäre nichts zu sagen, wenn man nicht das Gefühl hätte, auf diese Fragen gar keine Antwort finden zu wollen. Coles somnambules Album genügt sich mit der puren Oberfläche. Die Kanadierin versteckt sich hinter einem Vamp, der sie nicht ist. Ihre Interpretationen sind von einer aufdringlichen Bittersüßlichkeit, die genau das Gegenteil dessen auslöst, was sie eigentlich will: einen Fluchtimpuls, um nicht kleben zu bleiben.
Wolf Kampmann