Jarrett / Peacock / DeJohnette
After The Fall
(ECM/Universal)
Der Titel ist mindestens doppeldeutig, er verweist auf das Aufnahmedatum Mitte November und auf das in der Biografie Keith Jarretts sehr besondere Jahr 1998. Fast drei Jahre lang hatte ein chronisches Erschöpfungssyndrom ihn apathisch an sein Haus in Oxford, New Jersey, gefesselt, außerstande Klavier zu spielen. Als er 1999 das Soloalbum „The Melody At Night, With You“ herausbrachte, hörte man einen anderen Musiker: extrem reduziert auf die thematischen Kerne von Songs aus dem American Songbook. Um diese Zeit herum konzertierte er in Newark mit seinem Standard Trio nicht weit von daheim wieder live. Der nun auf zwei CDs erschienene Mitschnitt ist das faszinierende Statement einer Rückkehr. Erstmals seit dem 1996er-Solo „A Multitude Of Angels“ in Italien war Jarrett wieder auf der Bühne zu erleben. Und wie! Ein Dutzend Standards zelebriert das unschlagbare Trio, das nicht nur der Stückeauswahl wegen so heißt, sondern auch weil es einen Standard fürs Triospiel setzt. Wie das quasifamiliäre Trio in je viertelstündigen Exegesen von „The Masquerade Is Over“ und „Autumn Leaves“ bis zu Rollins‘ „Doxy“, von Coltranes „Moment’s Notice“ bis zu „Santa Claus Is Coming“ Jarrett aus seinem persönlichen „Ground Zero“ zurückholt, ist schlicht sensationell. Bebop hatte der sich zum Neustart gewünscht, und in den zum Glück entstandenen Aufnahmen hörte im Rückblick auch der so selbstkritische Jarrett „ein wirklich großes Konzert und nicht nur ein historisches Dokument“. Es ist schlicht beglückend, dass es nun veröffentlicht wurde.