John Surman
Saltash Bells
(ECM/Universal)
John Surman muss nichts mehr beweisen. Aus dem puren Jazzidiom hat er sich durch die Einbindung von Elementen aus Folklore und Klassik längst entfernt. Er hat komponiert für sich und Streichquartett und größere Besetzungen oder sich John Dowland auf den Leib gebogen. Duos, Trios und Quartette waren seine Improvisationsstartrampen. Und irgendwie signalisieren schon seit 1972 seine Soloaufnahmen: Die wilden Jahre sind vorbei. Immer neu verblüfften diese Soloexkurse und ließen ihn zum britischen Garbarek-Pendant werden. Vom Startpunkt solcher Selbstdiskurse, „Westering Home“ (1972), bis „A Biography Of Rev. Absalom Dawe“ (1994) entstanden sinnliche Lehrstunden darüber, was mit Klarinetten, vor allem aber mit Sopran- und Baritonsaxofon möglich ist. Ganz unaufgeregt war Surman der große Melodienfädler. Live zelebrierte er immer wieder seine monologisch fließenden Selbstvergewisserungen und man hatte nicht wirklich gespürt, dass er als Solist 18 Jahre CD-Veröffentlichungspause eingelegt hatte. Dann kam die Idee des norwegischen Fotografen und Filmemachers Odd Geir Sæther, den britischen Westen zum Gegenstand einer schließlich doch nicht realisierten Dokumentation zu machen. Aber die Lust am Erinnern war ausgelöst und Surman fand Sounds für Erinnerungsbilder von Orten seiner frühen Jahre. Titel wie „Whistman’s Wood“ oder „On Staddon Heights“ stehen für unmittelbare lokale Verortungen, die Echos der Kirchenglocken von Saltash/Cornwall durchziehen als Elektroniklayer und -loops das Titelstück. Überhaupt sind diesmal Synthesizer und Multitracking deutlich differenzierter eingesetzt, denn auch ihre Geschichte ist weitergegangen. Pulse und Grundierungen entstehen so, mit denen er sich vervielfältigt, auf dass sein milder, kurzweiliger Ton als großer sinnlicher Gesang geschmeidig zu schweben beginnt.