Jon Balke
Warp
(ECM/Universal)
Dies ist kein Pianosolo-Album. Klar: Jon Balke sitzt allein am Klavier, er drückt Tasten, meditativ, archaisch, kristallin, sinnlich. Manchmal schweben klassische Vokabeln durch den Raum, manchmal ein simples Kinderlied, dann walzt ein Groove heran, ein Popsong oder eine freie Improvisation. Allein für sich wäre dies schon eine Attraktion. Aber da ist noch mehr. Etwas, das ein überreiztes Konsumohr zunächst gar nicht wahrnimmt, das sich anhört wie eine hundertfach überspielte Tonspur auf einer Audiokassette, wie schemenhafte Laute, mysteriöse, halbverstecke Details, tief eingewoben in Balkes akustischen Kosmos. Lärm vom Schulhof, Straßenbahnen, die an den Ampeln nahe dem Osloer Haus des Pianisten bremsen, atmosphärische Geräusche aus der Hagia Sophia in Istanbul: All dies sowie einige dezente elektronische Effekte trug der 60-Jährige mit Audun Kleive in den norwegischen Bergen zusammen und wickelte es mit Manfred Eicher beim finalen Mischprozess in einen Kokon aus Sound. Im Zentrum das Piano, drum herum die Geräuschsprache des Alltags, weit entfernt, nie effektheischend und facettenreich wie ein Sog. Als würden Geister ein Haus aus Klang bauen.