Joshua Redman

Walking Shadows

(Nonesuch/Warner)

PRO

Joshua Redman – Walking Shadows (Cover)Oh Mann, was für ein Schmelz! Natürlich gehen beim ersten Geigenstrich die Warnlampen an. Spätestens seit Charlie Parkers orchestralem Sündenfall gehört die Kombination „plus strings“ zum Feindbild. Im Unterschied zu damals muss jemand wie Joshua Redman aber nicht mehr beweisen, dass er auf dem Niveau der großen Kunst agiert. Er macht es einfach, mit einer Haltung, die bei allem Ernst ein Lächeln integriert. Denn „Walking Shadows“ ist ein ästhetisches Spiel mit den Möglichkeiten des Sanften und Fragilen. Es ist eine Geste in Richtung des Populären, ohne die eigene Kraft zu verlieren. Dafür sorgen Redmans beseelte Linien, die mit hintergründiger Eloquenz einfache Geschichten zu erzählen scheinen. Dazu kommt das durchdachte Konzept, dem Flauschigen im Wechsel mit Quartettaufnahmen immer auch das Pure gegenüberzustellen. Vor allem aber tuen Brad Mehldau, Larry Grenadier und Brian Blade ein Übriges, den Balladen die nötige Intensität abzugewinnen. „Walking Shadows“ wird damit jene empören, die sich Joshua als Stilerben von Dewey wünschen. Alle anderen werden es lieben, im vollen, luxuriösen Klang zu schwelgen.
Ralf Dombrowski

KONTRA

Seit „Charlie Parker with Strings“ ist es der Traum eines jeden Saxofonisten, sein Horn einmal im Umfeld orchestraler Streicher erklingen zu lassen. Jetzt hat sich auch Joshua Redman diesen Traum erfüllt. Doch leider hat er mit den Arrangeuren Dan Coleman und Patrick Zimmerli zwei Komponisten mit dieser Aufgabe betraut, denen nicht viel mehr einfällt, als einen Schwall schwülstiger Streichersoße über Klassiker wie „Lush Life“ oder „The Folks Who Live On The Hill“ auszugießen. In Wayne Shorters „Infant Eyes“ klingt Redmans Sopran geradezu verloren angesichts der statischen Fülle – so, als ob mal jemand das Fenster aufmachen müsste, um zu lüften. Die Arrangements des Redman-Kumpels und Pianisten Brad Mehldau, der die Platte produziert hat, klingen zwar neutönerischer, taugen aber letztlich auch nur zur Schlafzimmerbeschallung. Wie schön die Platte hätte werden können, zeigt sich in einer Ballade wie „Doll Is Mine“, die Redman in Quartettbesetzung mit Mehldau, Bassist Larry Grenadier und Schlagzeuger Brian Blade eingespielt hat: Hier erzeugt der reduzierte Gestus einen verschwörerischen Klang, von dem man gerne mehr gehört hätte.
Rolf Thomas

Text
Ralf Dombrowski, Rolf Thomas
, Jazz thing 98

Veröffentlicht am unter Reviews

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