Keith Jarrett

Budapest Concert

(ECM/Universal)

Keith Jarrett – Budapest Concert (Cover)Hört man den teils tosenden Applaus, der Keith Jarrett bei seinem Solo-Klavierkonzert 2016 in der Béla Bartók National Concert Hall in Budapest entgegenbrandet, wird man den Eindruck nicht los, noch einmal einen (vielleicht letzten?) Blick in eine längst verschwundene Zeit vor Corona erhascht zu haben. Mit diesem Budapester Konzert, das nun als Doppel-CD und -LP veröffentlicht worden ist, habe er für sich neue Maßstäbe gesetzt, wird der eigenwillige Pianist, der am 8.Mai seinen 75. Geburtstag gefeiert hatte, im Presseinfo zitiert. Auch sei er durch die Stadt besonders inspiriert worden, so das Presseinfo weiter, weil sein Großvater familiäre Wurzeln in Ungarn habe. Es sei dahingestellt, ob der ominöse „Genius Loci“ tatsächlich an diesem Abend vor vier Jahren seine Wirkung gezeigt hat oder nicht. Diese Konzertaufnahme ist jedenfalls ein weiteres Indiz dafür, dass Jarrett noch konzentrierter, noch introspektiver und konziser seine Klavier-Rezitals spielt als früher, diesen aber dadurch auch Form und Gestalt gibt. Es sind nicht mehr die weit geschwungenen, melodischen Bögen, in denen er seiner ästhetischen Fantasie raumgreifend freien Lauf lässt. Vielmehr improvisiert er mittlerweile vielsätzige Suiten, in denen er sich auf kurze, mal linear, mal horizontal geführte Phrasen einlässt, in denen das Rhythmische fast noch stärker im Vordergrund steht als das Melodische – wohl auch deshalb, um mit dieser speziellen Binnendramaturgie in den jeweiligen Parts dennoch den großen dynamischen Bogen schlagen zu können. Und im zwölften Satz dieser Budapest-Suite zeigt Jarrett dann auch, wie schnittig groovend er ein bluesgetöntes Stride-Piano zu spielen versteht – gleichsam als Überleitung in seine Versionen der Songs „It’s A Lonesome Old Town“ und „Answer Me, My Love“ am Schluss seines Budapester Konzertes.

Text
Martin Laurentius
, Jazz thing 136

Veröffentlicht am unter Reviews

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