Keith Jarrett
No End
(ECM/Universal)
Es ist nicht das erste Mal, dass Manfred Eicher Keith Jarrett eine „Carte Blanche“ gegeben hat. Auch die Veröffentlichung dieser fast 30 Jahre alten Aufnahmen lässt sich nur erklären, wenn man die besondere Beziehung zwischen dem ECM-Produzenten und seinem „Künstler“ im Blick hat. Denn die „Solo“-Doppel-CD „No End“ wird spalten. Zum einen, weil Jarrett so gut wie überhaupt nicht Klavier spielt; zum anderen, weil die 20 Stücke so versponnen klingen und gespielt dilettantisch sind, wie man es von diesem Pianisten nicht erwartet hätte. Jarrett war Mitte der 1980er alleine in seinem Tonstudio. Um sich herum seine Instrumente: unter anderem eine rote Gibson-E-Gitarre, ein Fender-E-Bass, ein Schlagzeug und viele kleine und große Perkussionsinstrumente. Man kann es sich geradezu bildlich vor Augen führen, wie Jarrett ganz versunken in der eigenen Welt wie ein Kind beim Spiel seine Instrumente aufnimmt; wie er zwischen Studio- und Mischraum hin und her läuft, um das gerade Aufgenommene auf ein zweites Kassettendeck zu überspielen und im analogen Overdub-Verfahren Spur für Spur aufeinanderzuschichten (inklusive Rauschen). Das mit seiner rockenden Atmosphäre und hippieesken Haltung aufgenommene „No End“ ist zwar naiv und hermetisch. Dennoch werfen die 20 Stücke ein überraschendes Licht auf Keith Jarrett: nicht auf den egozentrischen Künstler und launischen Jazzmusiker, sondern auf einen sensiblen, verletzlichen Menschen, der einen unverstellten Blick in seine Seele erlaubt.