Lionel Loueke
Gaïa
(Blue Note/Universal)
Man kann Lionel Loueke schon verstehen. Er will sich und der Jazzwelt beweisen, dass er anders ist als die anderen und Sachen kann, die Normalsterbliche verzweifeln lassen. Deshalb tut er sich auf dem live im Studio mit kleinem Publikum eingespielten Trio-Album „Gaïa“ schwer mit geraden Takten, einfachen Melodien, simplen Strukturen. Seine Songs erklingen in 35/8 oder 19/4, in wahlweisen wilden Zerlegungen der Metren. Die Linien wollen die moderne Gitarren-Tradition absorbieren und ihr unter verschiedenen Gesichtspunkten – klangethnische Modifikation, progrockige Klangmasse, synthetische Soundergänzung, kontrollierte Wildheit – neue Dimensionen abgewinnen. Loueke und seine Mitkämpfer Massimo Biolcati am Bass und Ferenc Nemeth am Schlagzeug bieten das ganze Programm vom Guembri-Touch über Post-Fusion bis zum Noise-Rock, eigenwillig mit Übungsraum-Anmutung gemixt und verblüffend souverän in der Meisterung der Komplexität. Trotzdem landen sie am Ende bei einem lässig verschraubten Bee-Gees-Song. Ein bisschen Melodie kann nicht schaden.