Richard Galliano New York Tango Trio
Cully 2022
(TCB/Bertus)
Ein Novum dürfte es sein, dass die Serie „Swiss Radio Days“ nach zahlreichen analogen Artefakten nun auch den digitalen Fundus des staatlichen eidgenössischen Schallarchivs anzapft. Zum ersten Mal nämlich veröffentlicht das Label einen Live-Mitschnitt aus der Jetztzeit. Die 47. Folge ist dem französischen Akkordeonvirtuosen Richard Galliano gewidmet, der am 6. April dieses Jahres einen umjubelten Auftritt beim Jazzfestival in Cully am Nordufer des Genfersees absolvierte. Wer den französischen Akkordeonmeister schätzt, der darf sich die Cully-Aufnahmen auf keinen Fall entgehen lassen. Im Prinzip gibt es keine schlechten Platten von Galliano, aber diese hier ragt ganz besonders heraus. Der Mann, den Ron Carter einst einen „Zocker“ nannte, der Gitarrist und Cellist Sébastien Giniaux sowie Bassist Diego Imbert bieten eine der authentischsten und faszinierendsten Hommagen auf Astor Piazzolla, die es je zu hören gab. Die elf Titel atmen, pulsieren, singen, klagen und verzaubern auf eine besondere Weise, wie in Serge Gainsbourgs „La Javanaise“, bei dem das Publikum zum Finale sogar mitsingt. Ein hinreißendes Stück emotionaler Klangkunst!
Reinhard Köchl, Jazz thing 145
Der Titel des neuen Trios von Richard Galliano bezieht sich auf eine seiner Platten namens „New York Tango“, die er einst mit Biréli Lagrène, George Mraz und Al Foster aufgenommen hat, aber natürlich auch auf Astor Piazzolla, der in New York den Nuevo Tango entwickelte. Beim Cully Jazz Festival, wo dieses Album im April 2022 mitgeschnitten wurde, spielte Galliano mit dem Gitarristen und Cellisten Sebastien Giniaux und dem Bassisten Diego Imbert. Neben vielen Galliano-Originalen standen drei Songs von Astor Piazzolla auf dem Programm, aber auch die „Javanaise“ von Serge Gainsbourg. Delikat und feinfühlig navigieren die drei Musiker durch diese sonnige und sehnsüchtige Musik, machen sich die Melodien zueigen und laden sie mit swingender Energie auf. Die Mischung aus New Musette, Tango und Jazz, bei der Gallianos Akkordeon naturgemäß im Vordergrund steht, elektrisierte das französische Publikum so sehr, dass man beim Hören unwillkürlich den Atem anhält.
Rolf Thomas, Jazz thing 146