Ruth Wilhelmine Meyer & Helge Lien
Memnon
(Ozella/Galileo MC)
Hedda Gabler, Nora und Anitra oder Ellida Wangel, die Frau vom Meer: Im unerschöpflichen Register des norwegischen Nationaldichters Henrik Ibsen sind es besonders oft die Frauen, die in der Orientierung an bürgerlichen Idealen scheitern. Verzweiflung, Unglück, oft Selbstmord sind die Folge. Kein Wunder, dass auch Freud eine Ibsen-Figur zum Thema machte. Weit unterhaltsamer aber gerät Ruth Wilhelmine Meyers Auseinandersetzung mit den klassischen Psychokrimis. Die Sängerin spürt den Figuren nach, die sie am meisten beeindruckten, und kommt dabei ohne Worte aus. Denn ihre Stimme, die fünf Oktaven im Repertoire und vom betörenden Vibrato oder furchterregenden Knurren bis zum samtigen Schnurren alles drauf hat, reflektiert Gefühle und Atmosphären, Höhen und Tiefen äußerst wirkungsvoll. Der Hörer braucht keinen Bezug zu den klassischen Vorlagen, welche Meyer inspirierten, ebenso wenig wie Pianist Helge Lien, der sich einfach von den Klängen seiner Kollegin leiten ließ, um mit ihr die „musikalischen Psychogramme“ aufzuzeichnen, nonverbale Improvisationen über die vielen Facetten in Ibsens Personengalerie mit Bezügen zu knorrigem Folk und urbanem Jazz, mit klarem Ton und dunklen Schatten. Und Grieg, der kommt natürlich auch vor.