Steve Coleman & Five Elements
The Mancy Of Sound
(PI Recordings/CodaEx)
Seit er die 50 überschritten hat, wird der einst so spröde Steve Coleman immer zugänglicher und verträglicher. Seine neue CD „The Mancy Of Sound“, eingespielt in derselben Besetzung wie die Vorgängerplatte „Harvesting Semblances And Affinities“, verdient mit ihrem unaufdringlichen Latin-Teppich schon fast das Attribut „leichtfüßig“. Seine Mitmusiker, allen voran der begnadete Trompeter Jonathan Finlayson, Posaunist Tim Albright, Bassist Thomas Morgan und Drummer Tyshawn Sorey, tanzen federnd und schmunzelnd um ihren Leader herum, der ihnen und uns zwar wie gewohnt auf seinem Altsax die Welt und das Universum erklärt, aber dabei ungleich entspannter wirkt als irgendwann in den letzten 15 Jahren. Er greift auf verschiedenste Elemente seiner bisherigen Laufbahn zurück, lässt an frühe M-Base-Tage denken, aber auch an sein kubanisches Projekt The Sign & The Seal und erfindet sich aus sich selbst heraus neu. „The Mancy Of Sound“ ist das überzeugende Bekenntnis eines großen Musikers zur erfolgreichen Suche nach sich selbst.
„zugänglicher“: Manche finden mehr zu den früheren „funkigen“ Sachen Zugang, manche mehr zu den letzten Aufnahmen. Das ist sehr unterschiedlich.
„verträglicher“: Unverträglich war Coleman höchstens insofern, als er sich beharrlich einer Vermarktung verweigerte. Ansonsten war er stets ein ausgesprochen kommunikativer Typ.
„unaufdringlicher Latin-Teppich“: Man mag das bei einem Neben-bei-Hören so wahrnehmen. In Wahrheit sind diese rhythmischen Geflechte das Kunstvollste, was man im Jazz-Bereich hören kann. Tyshawn Sorey gilt als Genie, Marcus Gilmore ist hoch angesehen, Sandy Perez verkörpert afro-kubanische rituelle Musik. Teppich und „latin“ ist da in Wirklichkeit definitiv nichts!
„schmunzelnd“: Niemand schmunzelt hier – schon deshalb nicht, weil diese Musik zu spielen, extrem schwierige Kunst ist (was nicht heißt, dass sie nicht ebenso gefühlvoll und locker ist)
„die Welt erklären“: Wenn man Colemans philosophische Bezüge so versteht, dann muss man das Selbe über John Coltrane sagen. Bei beiden geht es sogar weitgehend um die selben Inhalte. Nur war Coltrane schweigsam, während Coleman kommunikativ ist.
„entspannter“: Coleman war noch nie auch nur ein bisschen angespannt. Gerade diese lockere, spielerische Art trotz höchster Komplexität war schon immer ein wesentlicher Zug seines Zaubers.
„erfindet sich aus sich selbst heraus neu“: Neu erfunden mag einem hier etwas erscheinen, weil es davor halt längere Zeit keine neuen Alben von Coleman gab. Wenn man seine Konzerte verfolgt, erweist sich seine Entwicklung als sehr, sehr kontinuierlich.
„Suche nach sich selbst“: Das entspräche überhaupt nicht seiner Philosophie. Es gibt viele Interviews im Internet, in denen gut erkennbar wird, um was es ihm geht. Vijay Iyer: „Man kann Steves Einfluss kaum überbewerten. Er beeinflusste mehr als eine Generation, so viel wie jeden seit John Coltrane. Es geht dabei nicht bloß darum, dass man das Spielen von 7 oder 11 Beats auf die Reihe kriegt. Was hinter seinem Einfluss steckt, ist diese globale Perspektive auf die Musik und das Leben. Er hat einen Standpunkt für das, was er macht und warum er es macht.“ (engl. Wikipedia)
Ich denke, The Mancy Of Sound ist wirklich „große“ Musik. Wirklich wichtig, wenn man bei den großen Stationen der Jazz-Geschichte dabei sein will.
Danke, Mampf! Eine bessere Antwort kann man auf so seichte Kommentare nicht geben!